Der Aurora Effekt
beide wussten, dass dies ihre Chance war. Möglichst unauffällig traten sie den Rückzug an und verschwanden durch eine nahe liegende Tür aus dem Generatorraum.
»Dir ist schon klar, dass das nicht lange gut gehen kann, Mark, wir fallen ja hier auf wie bunte Kühe«, sagte Angelique.
»No Risk, no Fun«, gab Winter zurück und zwinkerte Angelique mit den Augen zu, die das lächelnd quittierte.
Vorsichtig schlugen sie einen verlassenen Quergang ein, vorbei an einer Art Kantine und mehreren Räumen. Eine Tür stand offen und führte sie in ein offensichtlich gerade leerstehendes Büro. Während Angelique die Tür im Auge behielt, schaute sich Winter in dem Raum um. Er wusste nicht, was er hier überhaupt suchen sollte, dennoch war er der festen Überzeugung, dass es in dieser Anlage einfach irgendeinen Hinweis auf Isabel und das angeblich versunkene Kreuzfahrtschiff geben muss. So musste es einfach sein. Verbissen fing er an, durch herumliegende Unterlagen zu blättern und sich EDV-Ausdrucke an den Wänden durchzulesen. Er achtete jedoch akribisch darauf, alles genau so zu hinterlassen wie er es vorgefunden hatte. Nach ein paar Minuten sah er jedoch ein, dass er hier außer Zetteln mit Tausenden von Diagrammen und Zahlen nichts hilfreiches finden würde. Er schüttelte den Kopf, als Angelique ihn fragend ansah.
Unauffällig verließen sie das Büro und schlichen weiter durch den langen Gang. Winter, dicht hinter Angelique, war fasziniert von ihren geschmeidigen Bewegungen.
Wie vertraut sie doch schon waren, schoss es Winter durch den Kopf, sie kannten sich gerade erst ein paar Tage aber verstanden sich doch anscheinend wortlos. Winter konnte nicht anders, er fühlte sich einfach wohl in Angeliques Nähe und er stellte sich plötzlich noch einmal seine eigene Frage von vorhin. Was würde er nur ohne sie machen? Wollte er überhaupt noch einmal etwas ohne sie machen?
Der Gang machte einen Knick und endete in einem Raum, der Winter unweigerlich an das nüchterne Innere einer Raumstation erinnerte. Die Metallwände in dem engen Raum waren übersät mit wissenschaftlichen Anzeigen und Armaturen.
»Hier drin sieht es aus wie in einem Raumlabor«, flüsterte Angelique, die offensichtlich den gleichen Gedanken wie er hatte.
Als sie plötzlich in direkter Nähe vor ihnen Stimmen hörten, zuckten sie zusammen. Vorsichtig tasteten sie sich entlang der Experimente ein Stück vor und Winter blickte zögernd um die Ecke. Er war auf alles vorbereitet, nicht jedoch auf das, was er dort sah. Einer der Männer aus dem silberfarbenen Jeep stand dort vor einem Mann, der hinter einem schlichten Schreibtisch saß, inmitten von Aktenordnern und Computerausdrucken. Doch was Winter die Blässe ins Gesicht trieb war vielmehr der andere Mann, der hinter dem Schreibtisch in einem schwarzen Drehstuhl saß und auf ein Foto vor sich auf dem Schreibtisch blickte. Was hatte dieser Mann hier zu suchen? Winter erstarrte und Angelique schaute ihn besorgt an, als dieser langsam wie in Zeitlupe die Hände hob und unsicher einen Schritt aus seiner Deckung macht. Rasch kam ihr die Erkenntnis, dass sie in großen Schwierigkeiten steckten. Sie hatte jedoch keine Ahnung wie groß diese Schwierigkeiten in Wirklichkeit waren. Wie hätte sie dies auch nur ansatzweise erahnen können. Sie kannte weder die Frau mit ihren langen lockigen dunkelblonden Haaren auf dem Foto auf dem Schreibtisch, noch kannte sie den Mann, der dort hinter dem Schreibtisch in einem dunklen Ledersessel saß und mit einer schallgedämpften Pistole auf Winter zielte.
»Willkommen in Amerika, Herr Winter«, knurrte Narbengesicht.
»Es war mir klar, dass sie keine Ruhe geben würden, Herr Winter, wir haben sie quasi hier schon erwartet.« Narbengesicht machte eine auffordernde Handbewegung mit der Pistole, das Winter näher kommen sollte.
Langsam ging Winter ein paar Schritte auf den Mann zu, der sich als Kurt Mix in seiner Agentur vorgestellt hatte. Angelique blieb mit angehaltenem Atem versteckt hinter der Biegung stehen.
»Das gilt natürlich auch für ihre bezaubernde Begleitung. Frau Brockhaus, sie dürfen sich auch gerne zu ihrem Freund dazugesellen«, vernichtete Mix mit einem Satz Winters Hoffnungen, dass wenigstens Angelique unauffällig von hier verschwinden konnte.
»Eigentlich wollten wir einen netten Autounfall auf ihrer Rückfahrt inszenieren. Geplatzte Bremsleitung, sie wissen schon. Sehr bedauerlich.« Narbengesicht legte eine bedeutungsschwere Pause ein,
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