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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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Zittern nach, weil er wusste, welch unendliche Erleichterung ihm der nächste bittersüße Atemzug verschaffen würde. Die Klimaanlage dröhnte, er roch seinen eigenen Schweiß, und die Sonnenstrahlen, die schräg durch die Fensterwand fielen, verwandelten den polierten Glastisch in einen Spiegel – hinter einem Vorhang aus feinem Puder sah er sich selbst: ein blasses, scharfkantiges Gesicht, dunkle Höhlen statt Augen, eine Leiche mit einem eingerollten Geldschein in der Nase.
    Der schaurigste Anblick seines Lebens. Starr vor Schreck blickte er auf das Gespenst zwanzig Zentimeter unter ihm. Das Blut wich aus den Fingern um den Zwanziger, sein Atem verwischte die Ränder der Lines. Er wollte sich das Zeug reinziehen, er wollte es so sehr, wenigstens ein bisschen was, um etwas runterzukommen, um endlich wieder klar zu denken, um nicht ununterbrochen über die Freunde nachgrübeln zu müssen, die ihn verraten hatten, über den Job, den er in den Sand gesetzt hatte, über den Vater, der nie etwas mit ihm anzufangen wusste, weil der Junge nichts als alberne Spielchen im Kopf hatte, und nicht zuletzt über den Mann im Anzug, der gesagt hatte, er würde ebendiesen Vater leiden lassen. Nur ein bisschen was, um den Kopf freizubekommen. Er wollte es, scheiße, er wollte es so sehr, mehr als er jemals irgendetwas gewollt hatte, egal ob Gina oder die Anerkennung seines Vater oder die euphorische Ungewissheit der nächsten Karte beim Black Jack. Gleichzeitig hasste er es, er hasste das Koks mehr als sich selbst, und die beiden Gefühle, Hass und Verlangen, zerrten an ihm, rissen ihn auseinander. Seine Muskeln verkrampften sich, er zitterte, fast hätte er geschrien, als er auf einmal ein feuchtes Brennen in der linken Hand spürte.
    Ein plötzlicher, stechender Schmerz, der ihn zurück in die Realität katapultierte. Blinzelnd richtete er sich auf. Blut tropfte auf den Tisch, große, rote Tropfen verteilten sich in wunderschönen Mustern auf der Scheibe und verblassten dort, wo sie sich mit dem weißen Pulver vermischten, zu einem zarten Pink. Langsam, als würde er aus einem Traum erwachen, öffnete er die linke Hand. Die Rasierklinge. Er hatte sie völlig vergessen, als er die Hand zur Faust geballt hatte, und nun steckte sie zu einem guten Drittel in seinem Handballen. Vorsichtig zog er sie heraus. Als er spürte, wie das Metall aus der Haut glitschte, wurde ihm schwindlig. Er ließ die Klinge auf den Tisch fallen.   Pling.
    Scheiße!
    Er schloss die Hand wieder. Ein heißes, schmerzhaftes Pulsieren. Seine Finger färbten sich rot.
    Ist das alles, was du draufhast?
    Genügt dir das?
    Was hatte Katz letzte Woche gesagt? Er sei ein degenerierter, drogensüchtiger Börsenheini. Eine einzige Lachnummer.
    Ekel überwältigte ihn. Er riss sich den Schein aus der Nase, leerte den Inhalt der Pergamenttüte in die Schachtel, beugte sich vor und wischte den Stoff vom Tisch ebenfalls in die Schachtel, stand auf und marschierte mit schnellen Schritten ins Bad. Als er den hochgeklappten Klodeckel sah, erinnerte er sich an seine morgendliche Kotzorgie.
    Er hielt die Schachtel über die Schüssel.
    Ein letztes Zögern, die Sekunden verstrichen. Dann drehte er die Schachtel um, stellte die Spitze seines Lederschuhs auf die Spülung und sah zu, wie das Zeug von einem Wasserstrudel in die Tiefe gerissen wurde.
    Keine Frage, er hatte Scheiße gebaut. Selbst als er mit den besten Absichten gehandelt hatte, zum Beispiel als er nach dem Überfall zu Katz gegangen war, hatte er alles nur noch schlimmer gemacht. Aber er würde nicht sang- und klanglos untergehen. So würde es nicht enden. Nicht mit ihm. Nicht mit Ian Verdon, auf gar keinen Fall. Dafür hatte er zu hart gearbeitet, zu viel erreicht. Er würde sich nicht kleinkriegen lassen, weder vom Kokain noch von Johnny Love noch von diesem kranken Arschloch Victor. Und wenn seine Freunde nichts mehr von ihm wissen wollten, würde er es eben alleine regeln.
    Nur wie?
    Auf einmal wusste er nicht mehr weiter. Eigentlich konnte er überhaupt nichts tun. Am Montagmorgen würden Jenn und Mitch zur Bank gehen und die geheimnisvollen Flaschen übergeben. Damit wäre die Sache erledigt.
    Oder auch nicht. Konnten sie sich wirklich darauf verlassen, dass Victor Wort halten würde? Ian hatte schon zu viele Verkaufsverhandlungen miterlebt, und wenn ihm einer erzählte, man solle ihm jedes einzelne Wort glauben, machte ihn das sofort misstrauisch.
    Blut tropfte von seiner linken Hand. Er drehte den Hahn auf

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