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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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wir schon klar, und er kümmert sich um Johnny. Damit gehört das Geld uns. Wir können ein neues Leben anfangen.« Verdammt, was redete er da für einen Schwachsinn? Er wurde rot. »Ich meine natürlich, jeder von uns kann ein neues Leben anfangen.«
    Sie drehte sich um und betrachtete ihn von unten herauf, als würde sie irgendetwas suchen, während ihm noch mehr Blut ins Gesicht schoss. »Du hast mich völlig missverstanden«, erwiderte sie nach einer Weile. Mitch öffnete den Mund, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Du bist Portier. Ich arbeite im Reisebüro. Ich hab Victor nicht angelogen, um die Übergabe in der Öffentlichkeit abzuwickeln. Ich wollte Zeit gewinnen, damit wir zur Polizei gehen können.«
    Mitchs Gleichgewichtssinn setzte aus; eine Sekunde lang fühlte er sich, als würde er in einen tiefen Abgrund stürzen. Er starrte sie an. Bestimmt würde sie gleich hinzufügen, dass das nur so dahingesagt war, dass sie nur einen kleinen Scherz gemacht hatte.
    »Hey, Kumpel, hast du vielleicht ein bisschen Kleingeld übrig?« Mitch drehte sich um. Neben ihm stand ein Mann, wie er für Chicagos Obdachlose typisch war: alterslos, überraschend ordentlich gekleidet, aber mit wässrigen, leeren Augen.
    »Nein«, erwiderte er und wandte sich wieder an Jenn. »Ist das dein Ernst?«
    »Bitte, Mister, nur ein paar Cent.«
    »Nein.«
    Der Mann wartete noch eine Sekunde, ehe er missmutig abzog.
    »Jenn, das kann doch nicht dein …«
    »Doch.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Das Ganze ist doch längst außer Kontrolle geraten. Wir müssen uns Hilfe holen.«
    »Ist dir klar, was du da sagst? Willst du der Polizei wirklich erzählen, dass wir einen bewaffneten Raubüberfall verübt haben?«
    »Wir wissen nicht, wer Victor ist, aber mit dem Typen ist offensichtlich nicht zu spaßen. Das werden sie sicherlich berücksichtigen, wenn …«
    »Jenn, wir haben einen Menschen umgebracht.« Im letzten Moment zwang er sich, leise zu sprechen. Gott sei Dank war gerade niemand in der Nähe.
    »Es war Notwehr. Das werden wir alle bezeugen.«
    Mitch konnte es nicht fassen. Unwillkürlich legte er ihr eine Hand auf den Ellenbogen. »Ich frage dich noch einmal – ist dir klar, was du da sagst?«
    Sie wich seinem Blick aus.
    »Super. Ganz toll.« Er spürte, wie das Blut in seinen Adern zu pochen begann, heiß und kalt zugleich. »Du, Alex und Ian, ihr kommt mit dem Schrecken davon, aber ich muss in den Knast.«
    »Das hab ich nicht gesagt. Ich …«
    »Aber genau das würde passieren.« Als er sie am Arm packte, zuckte sie zusammen und sah ihn an. »So blind kannst du doch gar nicht sein. Das ist keins von Ians Spielchen. Wir können nicht von vorne anfangen, wenn’s uns nicht mehr passt.«
    »Lass mich los. Du tust mir weh.«
    »Hey, Kumpel, sorry, hast du wirklich kein Kleingeld übrig? Gar nichts?«
    Mitch ließ ihren Arm los und fuhr herum. »Verzieh dich, verdammt noch mal!«
    »Jetzt komm schon, ich brauch was zu essen.«
    In seinem Kopf legte sich ein Schalter um. Mitch trat einen Schritt vor und stieß den Penner vor die Brust. Als der Mann nach hinten stolperte, folgte er ihm. Seine rechte Hand ballte sich zur Faust, seine Muskeln bebten. Hastig wich der Penner weiter zurück, blieb irgendwo hängen und ging mit rudernden Armen zu Boden. Zack. Ein dumpfer Aufprall, ein spitzer Schrei.
    Die Leute um ihn herum erstarrten und drehten sich um. Mitch kam sich vor wie damals in der Schule, in der Pause – unzählige blutdürstige Augen richteten sich auf ihn. Eine Frau hielt sich die Hand vor den Mund, als hätte sie sich eben einen Donut reingestopft. Ein stämmiger Typ, der ein paar Meter entfernt stand, setzte sich in Bewegung, während der Penner sich wimmernd auf dem Boden krümmte. »Nur wegen ein bisschen Kleingeld. Mann …«
    Mitch fühlte sich zugleich unverwundbar und tödlich getroffen. Das zittrige, atemlose Gefühl, plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Er packte Jenn am Arm und zog sie mit sich. Widerwillig lief sie hinterher. »Komm schon!«
    »Gibt es hier ein Problem?«, fragte der stämmige Kerl, ein weiteres Chicagoer Original, ein breiter, aber nicht wirklich fetter Typ, zwar gut gebaut, aber sicher kein Coverstar von   Men’s Health .
    »Nein, nein.« Jenn schüttelte Mitchs Hand ab und beschleunigte ihre Schritte. Hinter ihnen halfen zwei Teenager dem Obdachlosen auf die Beine. Als hätten sie sich untereinander abgesprochen, drehte sich die Menge um und verfolgte

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