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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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lagen.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    Sie nickte, sah ihn aber nicht an.
    »Komm, hauen wir hier ab.«
    »Du hast doch Dienst.«
    »Nein. Hab eben gekündigt.«
    Endlich blickte sie auf. Sie betrachtete ihn, als wüsste sie nicht, was sie von seiner Antwort halten sollte. Er versuchte, ein vorwitziges Lächeln aufzusetzen. Ein ziemlich alberner Versuch, Jenn aufzuheitern, aber er fühlte sich gut, lebendig und stark. Neben ihm saß die Frau, die er immer gewollt hatte. Seite an Seite konnten sie es mit der ganzen Welt aufnehmen. Sie brauchten die anderen nicht.
    Außerdem war es ein wunderschöner Tag: helles, reines Sonnenlicht, alle Farben glänzten wie frisch gestrichen. Unten am Hoteleingang legte er ihr den Arm um die Schultern und lenkte sie sanft nach Osten. Eigentlich hatte er kein bestimmtes Ziel im Sinn, doch an der Michigan Avenue erwischten sie eine grüne Ampel, und so landeten sie im Millennium Park. Es roch nach Pommes, und vom Lake Michigan wehte eine sanfte Brise herüber. Mitch genoss es, schweigend Arm in Arm mit ihr zu gehen. Sie stiegen die Stufen zu der riesigen, auf Hochglanz polierten Metallskulptur in der Mitte des Platzes hinauf, ein etwa zwanzig Meter langes, bohnenförmiges Gebilde. In ihren Kurven spiegelte sich die ganze Welt, Touristen schlichen mit ihren Kindern um den rätselhaften Zerrspiegel herum und bestaunten ihre gekrümmten und gewölbten Ebenbilder. Auch Mitch mochte das Ding – ihm gefiel die Illusion, sich von einem Augenblick zum nächsten scheinbar in Luft aufzulösen oder sich in etwas völlig anderes zu verwandeln.
    »Hast du denn gar keine Angst?«, fragte sie.
    Er sah sie an. »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil uns das Ganze in die Hände spielt. Damit sind all unsere Probleme gelöst: Wir können das Geld behalten, Johnny lässt uns in Ruhe. Und was müssen wir dafür tun? Wir müssen ihm bloß irgendein Zeug geben, das wir sowieso nicht haben wollen.« Mitch beobachtete einen kleinen Jungen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, der langsam und vorsichtig, mit ausgestreckten Armen, auf die Skulptur zuging. »Das vorhin war übrigens eine hervorragende Idee – zu sagen, du hättest die Flaschen auf der Bank deponiert, damit wir die Übergabe in der Öffentlichkeit abwickeln können.«
    »Deshalb hab ich es nicht gesagt.«
    »Warum dann?«
    Keine Antwort. Mitch wusste nicht, was in ihrem Kopf vorging. Bestimmt nichts Gutes. Deshalb bohrte er nicht weiter nach, sondern wechselte lieber das Thema. »Sag mal, weißt du, was in Alex gefahren ist? Klar waren wir nicht immer einer Meinung, aber dass er uns einfach so sitzen lässt … Was für ein Arschloch.«
    »Er muss eben an seine Tochter denken.«
    »Aha. Und wir müssen an niemanden denken?«
    »Das ist was anderes.«
    »Warum?«
    »Weil es um sein Kind geht. Natürlich macht er sich da Sorgen.«
    »Nein. Er ist einfach nur feige.«
    »Jetzt komm mal wieder runter.«
    »Wie bitte? Willst du ihn jetzt auch noch verteidigen?«
    »Nein, aber …«
    »Doch. Du verteidigst ihn.« Er spürte das pulsierende Blut in seinen Schläfen, als würde ihm jeden Moment der Kopf platzen. »Ich frag dich noch einmal. Was läuft da zwischen euch?«
    »Nichts.«
    »Sicher. Und deswegen ist er auch neulich mitten in der Nacht bei dir aufgetaucht.«   Lass das , dachte er sofort.   Mach jetzt nicht alles kaputt.
    »Sag das noch mal.«
    Er seufzte. »Tut mir leid. War nicht so gemeint.«
    »Und wie war es dann gemeint?«
    »Ich …« Ein Taxi hupte, ein anderes Taxi antwortete. »Ich mag dich wirklich, Jenn. Schon sehr lange.«   Scheiße, wie alt bist du denn? Zwölf?   »Aber natürlich ist das alles noch sehr neu für uns. Ich will dich zu nichts drängen.«
    Wieder keine Antwort. Sie strich sich bloß eine Strähne hinters Ohr.
    Mitch räusperte sich. »Aber das mit Victor spielt uns wirklich in die Hände. Wir nehmen das Zeug einfach mit in die Bank. Ist doch egal, ob es im Schließfach war oder nicht. Hauptsache er bekommt seine Ware. Er wird schon keinen Ärger machen.«
    »Das können wir nicht wissen.«
    »Doch. Weißt du, für einen Typen wie Victor sind wir völlig irrelevant. Der nimmt sich, was er braucht, der Rest ist ihm egal.«
    »Für einen Typen wie Victor? Mit solchen Typen kennst du dich also aus, oder was?«
    »Nein, ich meine nur … Victor ist ein Geschäftsmann.« Egal, was er sagte, nichts kam rüber, wie er es wollte. Als würden sie überhaupt nicht dasselbe Gespräch führen. »Ich denke, mit dem kommen

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