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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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meilenweit fahren, um noch einen Platz in einer Bar zu finden. Aus jedem zweiten Fenster dröhnte laute Musik.
    Aber das Rossi’s lag an einer ruhigen Ecke. Nicht dass hier überhaupt nichts los gewesen wäre. Ein paar Nachtschwärmer spazierten schon über die Gehsteige, einige Taxis fuhren die Straße hinunter, in einem Apartment drei Häuser weiter ging eine Party zu Ende. Mitch hatte sich beeilt. Er hatte zwar nicht allzu schnell fahren können, da er auf keinen Fall rausgewinkt werden wollte, doch er war gut vorangekommen.
    Beim Anblick des Rossi’s lief ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunter. So vieles, so viel Gutes und so viel Schlechtes war mit diesem einen, nicht weiter auffälligen Ort verbunden.
    Konzentrier dich.
    Obwohl sie sich dort immer zum Trinken getroffen hatten, war das Rossi’s eigentlich ein Restaurant, und so war die geschwungene Neonschrift über der Tür schon erloschen. Das ganze Gebäude strahlte die typische Stille eines geschlossenen Lokals aus. Im Vorbeifahren warf Mitch einen Blick auf die dämmrigen Fenster – die Stühle standen auf den Tischen, mehr war nicht zu erkennen. Der Laden wirkte menschenleer. Hatte er sich geirrt? Auf dem Weg hatte er alle paar Sekunden versucht, Alex auf dem Handy zu erreichen. Ohne Erfolg. Entweder hatte er es nicht dabei, oder er wollte nicht drangehen. Wahrscheinlich Letzteres.
    Er bog ab, erst in eine Seitenstraße, dann in die Gasse. Genau hier hatten sie vor ein paar Tagen den Mietwagen geparkt. Als er das Licht abschaltete, bekam er es plötzlich mit der Angst zu tun. Keine fünf Meter weiter hatte er einen Menschen ermordet.
    Draußen war es kühl, und wie beim letzten Mal roch es nach saurer Milch. Am Müllcontainer hing ein Fetzen gelbes Klebeband, ein Überbleibsel der Polizeiarbeiten, das im sanften Wind flatterte. Mitch ging zum Ende der Gasse, ohne sich umzuschauen, ohne nach einem dunklen Fleck auf dem Asphalt oder einem Einschussloch zu suchen. Dafür hatte er jetzt keine Zeit.
    Also schnell um die Ecke, unters Vordach, zum Eingang. Dort hielt er inne und lauschte. Es war nichts zu hören, weder laute Stimmen noch gellende Schreie. Er legte die Hand auf die Klinke. Kühles Metall unter seinen Fingern. Wenn er jetzt dort hineinging, dann gab es kein Zurück mehr. Und wenn Victor auf ihn wartete …
    Er zögerte. Seine Beine begannen zu zittern, jeder einzelne Muskel flehte ihn an, sich umzudrehen und wegzurennen. Seine Gedanken stolperten übereinander, seine Ängste überboten sich gegenseitig. Vor seinem inneren Auge sah er schon die Mörder auf der anderen Seite der Tür.
    Wenn Alex da ist – nur Alex –, bringst du ihn zur Vernunft, und ihr haut so schnell wie möglich ab. Wenn Victor da ist, musst du bloß Zeit gewinnen, bis die Cops anrücken. Jenn und Ian reden schon mit dem Detective. Zehn Minuten, eine Viertelstunde, länger wird es nicht dauern. Du kannst es schaffen.
    Du musst es schaffen.
    Mitch zog an der Tür. Nicht abgeschlossen.
    Als er eintrat, rumorte es in seinem Bauch, als würden sich seine Gedärme abspulen. Bis auf das grüne Schimmern des EXIT-Schilds war es stockdunkel. Vor ihm erhob sich das leere Empfangspult. Er   hörte seine Schritte, jeden einzelnen Herzschlag. Um die Ecke lagen verwaiste Tische, bereits gedeckt für den morgigen Tag, weiße Tischdecken mit ordentlich arrangiertem Besteck, ein Bankett für Geister.
    Hinten an der Bar brannte Licht. Er machte sich auf den Weg.
    Schon komisch. Während er durch das Restaurant schlich, konnte er nur daran denken, wie vertraut ihm hier alles war. Die Tische auf den Stühlen, der Ammoniakgestank des frisch gewischten Bodens, das dumpfe Summen des Kühlschranks. Wie oft hatten sie noch lange nach Geschäftsschluss hinten an der Theke gesessen? Wie oft hatten sie hier getrunken und geredet, ihre Theorien über die Welt voreinander ausgebreitet und die restliche Menschheit ausgelacht, zu viert in ihrem Elfenbeinturm aus Ironie und Skepsis? Wie oft hatten sie hier die Zeit totgeschlagen?
    Der nächste Schritt. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit.
    »Hallo, Mitch.«
    In einer einzigen, ebenso eleganten wie erbarmungslosen Bewegung verlagerte der Fremde das Gewicht auf das vordere Bein und rammte Ian die Faust in den Bauch. Ein ersticktes Grunzen drang aus dem Mund ihres alten Freundes, er stürzte auf die Knie, beugte sich vor und würgte. Dünne Speichelfäden hingen von seinen Lippen, vermischt mit Erbrochenem.
    »Hi«, sagte der

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