Der Ausloeser
Augen, wie sie eine Locke um den Zeigefinger wickelte, wenn sie besonders konzentriert las … Sie trug ein Spaghettiträger-Top mit Spitzen, und in ihren Ohren glitzerten neuerdings Ohrringe, eine Entwicklung, von der Alex nicht gerade begeistert war.
Schließlich gaben sie ihre Bestellung auf: einen extravaganten Salat für die junge Dame, aber bitte ohne Käse und mit Dressing zum Selberdosieren, und einen Cheeseburger für ihn, natürlich blutig. »Wie wär’s mit einem Milchshake?«, fragte Alex.
Cassie schüttelte den Kopf. »Ich mach Diät.«
»Diät?«
»Ja«, erwiderte sie mit einem gewissen Stolz. Alex fragte lieber nicht weiter nach, obwohl er ihr gerne gesagt hätte, dass sie schon jetzt absolut perfekt war, mit ihrem letzten bisschen Babyspeck, der sie sogar noch schöner und strahlender machte. Stattdessen bestellte er sich einen Schoko-Milchshake mit zwei Strohhalmen.
Als die Kellnerin abgezogen war, sahen sie sich wortlos an. »Also«, meinte Alex.
»Also?« Cassie lächelte.
»Was geht, Cass? Was gibt’s Neues?«
Mit einem Kichern legte sie los, und Alex lehnte sich zurück. Er war glücklich, ihr einfach nur zuzuhören. Manchmal war sie in seltsam feierlicher Stimmung; dann stellte sie ihm Fragen über sein Leben, die schwer nach mütterlichen Instruktionen rochen, auch wenn er sich diesbezüglich nie sicher sein konnte. Aber heute war sie ganz sie selbst, heute sprudelte sie über vor Neuigkeiten aus dem Alltag einer Zehnjährigen. Als ihre Bestellungen kamen, schob er den Milchshake über den Tisch, bis sie gerade so drankam.
»Nächsten Monat fahren wir nach Hilton Head!«
»Wirklich?«
»Ja, mit Scott.« Cassie legte großen Wert darauf, Trishs Neuen stets Scott zu nennen, niemals Daddy – zumindest in Alex’ Gegenwart. Wie sie es zu Hause hielt, wusste er nicht. »Wir wohnen in einem Hotel gleich am Strand, und wir haben sogar einen Pool! Und abends gibt’s Disco, meint Mommy.«
Alex biss in seinen bitteren, angebrannten Burger. »Klingt toll.«
»Vielleicht kannst du auch mitkommen.«
»Das wär schön, ja.«
»Mom und Scott hätten bestimmt nichts dagegen.«
Das bezweifle ich , dachte Alex. Zumal er sich das Hotel bestimmt nicht leisten könnte. »Tja, ich muss leider arbeiten. Ich hab keine Sommerferien.«
Sie rümpfte die Nase. »Du hast nie Sommerferien.«
»Da hast du leider recht.« Er legte die Hand aufs Herz. »Ich wünschte, ich wäre noch mal zehn.«
»Das sagen sie alle.«
»Wer?«
»Na, die Erwachsenen. Dabei ist es als Kind eigentlich ziemlich blöd. Aber das habt ihr anscheinend alle vergessen.«
»Manchmal ist es auch ziemlich blöd, erwachsen zu sein.« Alex erinnerte sich an Trishs seltsamen Blick, an ihr Zögern. Als hätte sie ihm etwas zu sagen, was er auf keinen Fall hören wollte.
»Wenigstens kriegt ihr keine Hausaufgaben.«
»Aber dafür haben wir auch keine Sommerferien.«
»Aber dafür dürft ihr Auto fahren. Und in der Stadt wohnen. Ihr könnt machen, was ihr wollt.«
»Nicht ganz.«
»Aber fast. Ich kann es kaum erwarten, erwachsen zu werden.«
Innerlich zuckte Alex zusammen. »Lass dir ruhig noch ein wenig Zeit damit.«
Cassie spießte eine Tomate auf, beäugte sie misstrauisch und biss schließlich mit spitzen Zähnen ein kleines Stück davon ab. »Übrigens«, sagte sie kauend, »letztes Jahr hatte ich nur Einsen und Zweien.«
»Toll.«
»Und du sagst doch immer, ich wär schon ziemlich erwachsen für mein Alter.«
»Wer sagt das? Ich? Kann ich mich nicht dran erinnern.«
»Das sagst du sogar andauernd.« Sie legte die Gabel auf den Teller und zog den Milchshake näher heran. »Und deshalb brauche ich ein Handy.«
Alex hob die Augenbrauen.
»Am besten ein iPhone.«
»Aha.«
»Ja. Damit kann man praktisch alles machen. Musik hören, chatten … und ich könnte dich immer anrufen.«
»Das kannst du doch jetzt schon.«
»Ja, aber wenn ich ein iPhone hätte, könnte ich dich auch von unterwegs anrufen.« Sie schlürfte am Milchshake und sah ihm in die Augen. »Alle meine Freundinnen haben eins.«
»Ich weiß nicht, Liebling.«
»Ach bitte . Ich pass auch gut drauf auf. Wirklich.«
In seinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus. Als er den Burger auf den Teller legte, dachte er wieder an das Gespräch mit Jenn letzte Nacht, an den Plan, den er für sein Leben gehabt hatte. Jetzt war er zweiunddreißig und lebte von der Hand in den Mund. »Und was sagt deine Mutter dazu?«
»Sie hat gesagt, ich soll dich
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