Der Ausloeser
zwischen einem Popeye’s Chicken und einem Pfandleiher befand sich eine viel zu hell erleuchtete Bar. An der Theke saß ein halbes Dutzend Stammgäste, die leeren Augen auf die Rückwand gerichtet, wo Sixpacks und Flachmänner zu Supermarktpreisen feilgeboten wurden. Als Ian hereinkam, drehte sich keiner von ihnen um.
Nach einem kurzen Nicken in Richtung Barkeeper ging er weiter durch die Hintertür in einen engen Vorraum und winkte mit zwei Fingern in die Überwachungskamera, die ihn aus einer Ecke anstarrte. Zuerst geschah überhaupt nichts, bevor sich die stahlverstärkte Tür vor seiner Nase mit einem leisen Klicken entriegelte. Er drückte dagegen und trat ein.
Auf der anderen Seite lag ein Raum, der luxuriös, aber nicht einladend wirkte – eine reduzierte, wenig gemütliche Form von Eleganz. Sitzplätze suchte man vergebens, neben dem Humidor stand kein Aschenbecher, und in der kleinen Bar an der Seite fehlte das Eis.
»Ian«, schnurrte das Mädchen hinter der Theke, ein gedehnter Laut, der seinem Namen drei Silben verlieh. Sie entwirrte ihre unfassbar langen Beine, um sie im nächsten Moment wieder übereinanderzuschlagen. »Schon wieder zurück?«
»Ja, aber diesmal geschäftlich.« Er zwinkerte ihr zu. »Ist der Boss zu sprechen?«
»Sekunde.« Sie hielt sich ein Headset ans Ohr und drückte einen Knopf. »Ian Verdon ist hier und möchte zu Mr. Katz.« Drei Sekunden Stille. »In Ordnung.« Damit ließ sie den Knopf los und schaltete ihr Hundert-Watt-Lächeln ein. »Tritt ein.«
»Danke, D.«
»Soll ich ein paar Jetons vorbereiten? Für später?«
»Danke, heute nicht.« Auf dem Weg zur Treppe ging Ian noch einmal seinen Text durch. Bestimmt würde Katz sich zunächst wehren – er würde ihn an seine Schulden erinnern, vielleicht würde er ein bisschen den Macker rauskehren, um seine Leute zu beeindrucken. Aber am Schluss würde er zustimmen, natürlich würde er zustimmen, denn letztlich ging es um ein ganz simples Geschäft.
Oben angekommen, musste er vor einer weiteren Tür warten, über der ebenfalls eine Überwachungskamera angebracht war. Diesmal wurde er nicht von einem Bikinimodel, sondern von einem imposanten Schwarzen ohne Hals in Empfang genommen. Dicke Muskelstränge spannten sich von den Schultern bis zum Schädelansatz.
»Hey, Terry. Was geht?«
»Hey, Bruder.« Der Schwarze lächelte und streckte die Hand aus, Ian hakte sich mit den Fingern ein und zog den Arm ruckartig nach hinten. Es schnalzte. »Was läuft?«
»Alles in Butter«, sagte Ian. »Und bei dir?«
»Kann nicht klagen, Alter.« Terry winkte ihn herein.
Der Raum, den Ian nun betrat, war das exakte Gegenteil des unteren Empfangszimmers. Auf einem niedrigen Glastisch standen eine offene Flasche Gran Duque und ein marmorner Aschenbecher. Guter, schwerer Tabakduft waberte durch die Luft, und an der Wand, in Sichtweite der Ledercouchen, hing eine Reihe aus vier Flachbildschirmen, auf denen drei Pferderennen und ein Baseballmatch liefen. Hier, in den Polstern dieser Sofas, hätte Ian den Rest seines Lebens verbringen können.
In der Mitte der hintersten Couch saß ein Mann mit schütterem Haar, einem ausgeblichenen Anker-Tattoo auf einem dicken Unterarm und wässrigen, dunklen Augen. Jetzt blickte er von seiner Zeitung auf. »Ian.«
»Mr. Katz. Danke, dass Sie sich so spontan Zeit nehmen.« Er stellte den Aktenkoffer ab, setzte sich, schlug die Beine übereinander und deutete mit dem Daumen auf die Flachbildschirme. »Gab’s heute schon Überraschungen?«
»Die eine oder andere«, meinte Katz. »Zum Beispiel, dass du einfach so hier aufkreuzt.«
Ians Hände wurden feucht, doch er ließ sich nichts anmerken. Mach ihm klar, dass du ihn respektierst, aber nicht fürchtest. »Ich bin mit dem Geld in Verzug.«
»Die Situation ist untragbar.«
»Dessen bin ich mir bewusst. Und ich danke Ihnen für Ihre Geduld.«
Katz nickte. »Wie geht’s dem Auge?«
»Schon besser, danke.«
»Du weißt, in was für eine Lage du mich gebracht hast.«
»Selbstverständlich. Sie tun nur, was Sie tun müssen.«
»Weißt du, Ian, ich mag dich. Du bist ein guter Kunde. Aber du hast dich einfach nicht im Griff. Du setzt zu viel, und das zur falschen Zeit. Hätte ich keine Ausnahme gemacht, wäre es nicht bei dem einen Auge geblieben.«
»Genau deshalb bin ich hier.«
»Gut.« Katz beugte sich zum Aschenbecher, zog an seiner Zigarre und ließ ein paar makellose Rauchringe aufsteigen. »Das ist gut. Ein Mann sollte immer seine
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