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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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horchte auf ihren schnellen, harten Herzschlag. Das Leben hatte sie mit einer schallenden Ohrfeige aus dem Tiefschlaf gerissen.
    »Es ist noch nicht zu spät«, meldete sich Mitch vom Rücksitz. Für eine Sekunde wäre sie ihm am liebsten vor Dankbarkeit um den Hals gefallen. Als könnte sie noch vom Rand des Sprungbretts zurückweichen, die Leiter wieder hinunterklettern und sich einreden, alles wäre in Ordnung.
    Stattdessen fasste sie nach dem Türgriff und stellte die klackernden Absätze auf den Asphalt. Auch Mitch stieg aus. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, eine Mischung aus Besorgnis, Angst und noch etwas anderem. »Ich schaff das schon«, sagte sie.
    »Wenn irgendwas ist, egal was …«, flüsterte er. »Pass auf dich auf, okay?«
    Seine Sorgen rührten sie. Er und Ian mussten die mit Abstand gefährlichsten Rollen ihrer Inszenierung übernehmen, und trotzdem machte er sich Gedanken um ihre Sicherheit. Kurz entschlossen trat sie einen Schritt vor und küsste ihn auf die Wange. Sie spürte, wie sich seine Arme anspannten, während sie seinen Aftershave-Duft einsog, sie spürte, wie seine Hände auf ihren Rücken rutschten, wie sich seine warmen Finger auf ihre nackte Haut legten. Für einige Momente verharrten sie in der Umarmung, ehe sie sich vorsichtig aus seinem Griff löste. Sie wusste nicht, ob sie peinlich berührt war oder nicht. »Bringt Glück.«
    Er nickte, sagte aber nichts.
    Du bist ein Bond-Girl. Du bist eine Femme fatale mit einer Kanone in der Handtasche.   Jenn zwang sich zu einem Lächeln, wandte sich ab und schlenderte zum Eingang des Rossi’s.
    Ian hatte sich eigentlich vorgenommen, die Finger davon zu lassen. Er war ja kein Idiot, und er wusste, dass er viel zu viel kokste. Aber zwanzig Minuten bevor die anderen gekommen waren, hatte er sich dann doch vier schnelle Lines reingepfiffen; ein kleiner Muntermacher, um die Sinne zu schärfen, nichts weiter. Sobald die Sache über die Bühne war, würde er seinen Konsum runterfahren. Falls er nicht ganz damit aufhörte.
    »Was denkst du, wann werden sie kommen?«, fragte Mitch. Er klang ziemlich nervös.
    »Weiß nicht. Wenn’s dunkel ist.«
    »Warum? Sie treffen sich doch drinnen?«
    »Sicher, aber ist das nicht üblich, so unter Drogendealern?« Ian beugte sich vor, schaltete das Autoradio ein und flog mit dem Finger durch die Musiksammlung auf seinem iPod. »Worauf hast du Bock?«
    »Wie, ›Bock‹?«
    »Na, auf was für Musik?«
    Mitch starrte ihn an und schüttelte den Kopf. »Mann!«
    Dann eben Neutral Milk Hotel: ziemlich dissonantes, aber auch ziemlich geniales Zeug. Nicht dass Ian kapiert hätte, was der Sänger da plärrte, aber ihm gefiel es trotzdem. Die Musik ging seinen Gedanken so schön gegen den Strich.
    »Wie viel hast du genommen?«, fragte Mitch.
    »Wie bitte?«
    »Wie viel Koks, Ian?«
    »Willst du auch was?«
    »Nein.«
    »Dann kümmer dich um deinen eigenen Scheiß.« Er trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum und sang aus vollem Hals mit:   »The only girl I ever loved, was born with roses in her eyes, but then they buried her alive …«   Als die Ampel auf Grün schaltete, bog er rechts ab. Sie umkreisten das Rossi’s in großen Schleifen, alle paar Minuten passierten sie die Eingangstür. »Jetzt entspann dich mal ein bisschen. Das wird ein Kinderspiel.«
    »Klar. Ein Kinderspiel.«
    »Ich wette zehn Riesen, dass alles glatt läuft.«
    »Ich hab keine zehn Riesen.«
    Ian lächelte. »Noch nicht.«
    Alex stürzte sich in die Arbeit. In den meisten Bars war dienstagabends kaum was los, aber das Rossi’s war eben eher ein Restaurant, und so blieb doch einiges an der Theke hängen: Happy-Hour-Yuppies, Internet-Partnersuchende, die sich zunächst auf einen Drink trafen, um die Entscheidung für oder gegen das folgende Abendessen von den optischen Qualitäten des anderen abhängig zu machen, und so weiter. Alex füllte die Eisfächer, wischte über die hintere Theke und tauschte einige Flaschen mit niedrigem Pegelstand aus.
    »Hey, Fremder.« Jenn glitt auf einen Hocker. Sie sah nicht gut aus – sie sah verdammt gut aus.
    »Wie wär’s mit einem Drink?«
    »Lieber nicht.«
    »Komm schon, einer geht immer.« Er schnappte sich den Shaker und füllte ihn mit Wodka, dazu ein Spritzer Wermut.
    Nach einem unauffälligen Rundumblick beugte sie sich vor und flüsterte: »Ist er schon da?«
    »Nicht flüstern. Ja, er ist hinten im Büro.«
    »Hat er irgendwas gesagt?«
    »Ja, dass er einen Koch gefeuert

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