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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gelassen, konnte aber nicht erklären, warum. »Früher dachte ich, sie hätte Angst, Lou würde auch durchbrennen, jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher …« Sie habe sich wie eine Primadonna aufgeführt, sagte er, und sein Vater habe es sich gefallen lassen. Eine Erklärung dafür konnte er aber wieder nicht geben. »Ich nahm an, er hätte genauso Angst wie meine Mutter, dass er sie vergraulen könnte …« Auch war er nicht in der Lage, eine klare Vorstellung von der Persönlichkeit seiner Schwester zu vermitteln, die er bald als
    »verlogenes Luder« beschrieb, bald als ausgemachten Feigling. Als er ihren Abstieg ins Zuhälter- und 518

    Drogenmilieu schilderte, ließ er keinen Zweifel an seiner Überzeugung, dass die Schuld daran seine Eltern trügen, die es versäumt hätten, ihrer Tochter nach ihrem dreizehnten Lebensjahr Grenzen zu setzen.
    Sasha sah von ihren Notizen auf. »Verstehe ich das richtig?«, fragte sie vorsichtig. »Wollen Sie sagen, dass Ihre Eltern sich nach Cills Verschwinden nicht mehr trauten, Louise etwas zu sagen, weil sie wussten, dass sie irgendwie in die Geschichte verwickelt war?«
    Billy tauschte einen Blick mit seiner Frau.
    »Na ja, es ist doch sonderbar«, sagte Rachel.
    »Wenn man sieht, was aus ihr geworden ist, muss man sich doch fragen, wie es dazu gekommen ist.
    Bei Billy ist so was nicht passiert. Er hat sich ganz normal entwickelt. Aber nur, weil seine Eltern ihm nichts durchgehen ließen.« Sie nahm ihren Mann kurz in den Arm und drückte ihn. »Wieso haben sie es mit Louise nicht genauso gehalten, anstatt für alles, was sie tat, immer Entschuldigungen zu finden?«
    »Das muss nicht zwangsläufig der Grund dafür sein, dass sie sich anders entwickelt hat«, entgegnete Sasha. »Die verschiedenen Dynamiken innerhalb einer Familie beeinflussen die Charak-terentwicklung von Geschwistern auf unterschiedliche Weise.« Sie hielt inne, um ihre Gedanken zu ordnen. »Interessant ist es trotzdem, zumal 519

    Sie beide unterstellen, dass Louise ihre Eltern beherrscht hat. Es kann schlichte emotionale Erpressung gewesen sein – ›Lasst mich bloß in Ruhe, sonst hau ich ab‹ –, oder Sie hatten damals mit Ihrer Vermutung Recht«, sagte sie zu Billy gewandt, »und Ihre Eltern fürchteten, sie würde es Cill nachmachen.«
    Er warf seiner Frau wieder einen Blick zu, als wollte er sie um Erlaubnis bitten, offener zu sein.
    »Vielleicht hatte sie etwas gegen sie in der Hand«, murmelte er mit Unbehagen.
    »Was denn?«
    »Ich weiß auch nicht.«
    Sasha runzelte die Stirn. »Aber eine Ahnung müssen Sie doch haben.«
    Billy starrte sie einen Moment lang unschlüssig an, dann zog er den Kopf zwischen die Schultern und senkte den Blick zu Boden. »Es passierte ja damals alles auf einmal. Die Vergewaltigung …
    dann ist Cill verschwunden … Lou wurde von der Polizei vernommen … der Mord an Grace …« Er versank in Schweigen.
    »Wir glauben nicht, dass das Zufall war«, warf Rachel ein. »Ich meine, wenn Eileen auf die Frage nach ihrer Bekanntschaft mit Grace gelogen hat, war das wahrscheinlich nicht ihre einzige Lüge.«
    Sie schob ihre Hand den Rücken ihres Mannes hinauf und rieb sachte. »Wir möchten endlich die Wahrheit wissen. Mein Mann hat den Verdacht, 520

    dass er eine Menge Dinge nie erfahren hat, und es macht ihn ganz verrückt.«
    Sasha sah die beiden eine Weile schweigend an, dann hob sie beide Hände zu einer abwehrenden Geste. »Lassen Sie mich da raus«, sagte sie. »Ich bin eine ganz gute Detektivin, aber ich bin keine Polizistin. Meine Arbeit besteht in erster Linie darin, Menschen zu suchen, die verschwunden sind –vor allem Kinder –, und ich habe meistens Erfolg.
    Aber Mord ist etwas ganz anderes.«
    »Es ist alles sehr lange her«, sagte Billy.
    »Das spielt keine Rolle. Wenn Sie glauben, etwas über einen Mord zu wissen, dann sollten Sie damit zur Polizei gehen.« Sie klappte ihren Block zu. »Abgesehen von allem anderen bringen Sie mich in eine schwierige Lage. Die Unterschlagung von Beweismaterial ist ein Verbrechen, und damit möchte ich nichts zu tun haben.«
    Billy hätte an dieser Stelle das Handtuch geworfen, aber Rachel lachte nur geringschätzig. »Kein Wunder, dass keiner von Ihnen Cill gefunden hat.
    Ich meine, Sie ziehen los, um ein junges Mädchen zu suchen, das vermisst wird, und wissen nichts davon, dass wenige Tage nach ihrem Verschwinden praktisch vor ihrer Haustür ein Mord begangen wurde? Schön, ich weiß nicht, wie alt Sie sind, ob Sie

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