Der Außenseiter
damals überhaupt schon geboren waren, aber David Trevelyan hätte es doch erwähnen müssen, verdammt noch mal. Wenn nicht der Mord an 521
Grace dazwischengekommen wäre, hätte die Polizei viel mehr Zeit auf die Fahndung nach Cill verwendet. Hat er Ihnen das nicht gesagt?«
»Sie meinen, zwischen den beiden Ereignissen gibt es einen Zusammenhang?«
Rachel zuckte mit den Schultern. »Wir wissen nur, dass Lou von der Polizei wegen Cills Verschwinden befragt wurde, und Eileen später log und behauptete, sie hätte Grace nicht gekannt.« Wieder strich sie ihrem Mann tröstend über den Rücken. »Und wir wissen nicht, warum – denn Lou und Cill waren oft bei Grace im Haus, und Eileen wusste davon.«
Sasha überlegte einen Moment, dann griff sie in ihre Tasche und zog eine Akte heraus. »Ich denke, Sie sollten sich mal die Aussagen der Trevelyans durchlesen.« Sie entnahm dem Hefter einige Papiere.
»Das sind Kopien des Polizeiprotokolls.« Sie reichte die Unterlagen über den Tisch. »Jean schildert ganz sachlich, wie sie Cill am Freitagabend zu Bett geschickt hat und es am nächsten Morgen, als sie aufstand, leer vorfand. Davids Aussage ist interessanter, sie ist das Ergebnis eines scharfen polizeilichen Verhörs.«
Sie wartete, während Rachel die Kopien teilte und eine davon ihrem Mann reichte. »Gestern Abend habe ich mir die Aufzeichnungen der Gespräche angehört, die meine Vorgängerin mit den beiden führte. Sie erwähnen die Namen zahlreicher 522
Kinder und Erwachsener, mit denen ihre Tochter Cill befreundet oder bekannt war. Ich habe hier eine Liste« – sie klopfte auf den Hefter auf ihrem Schoß –, »aber jemand namens Grace ist nicht darunter, und an keiner Stelle wurde von einem Mord gesprochen.« Sie nickte zu den Unterlagen hinunter.
»Soweit mir bekannt ist, enthalten diese Aussagen alles, was die beiden wissen.«
523
POLIZEIPROTOKOLL
Datum: 30.05.70
Uhrzeit: 9 Uhr 30
Vernehmende Beamte: Constable Lawrence
Reed, Constable Paul Prentice
Anlass: Vermisstenmeldung eines Kindes
durch die Mutter Jean Trevelyan – häus-
liche Vernehmung
Mrs. Jean Trevelyan meldete ihre Tochter
um 9 Uhr 17 als vermisst. Die Beamten
Reed und Prentice nahmen sich der
Sache unverzüglich an. Nachdem sie
eine Beschreibung von Priscilla (Cill)
Trevelyan aufgenommen und weitergelei-
tet hatten, befragten sie die Mutter,
Jean Trevelyan. Sie war äußerst durch-
einander und konnte kaum sprechen. Sie
gab allerdings nachfolgende Aussage zu
Protokoll und bestätigte ausdrücklich
die Richtigkeit ihrer Angaben:
Cill wurde gestern (Freitag, 29.05.70)
nachmittags gegen 14 Uhr vom Unterricht
in der Highdown-Gesamtschule nach Hause
geschickt. Sie erklärte mir, sie sei für
eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen,
524
weil sie sich mit einem anderen Mädchen
geprügelt hat. Das Mädchen heißt Louise
Burton, sie war Cills beste Freundin,
bis die beiden sich Anfang dieses Monats
zerstritten haben. Seitdem haben sie
kein Wort mehr miteinander gesprochen.
Mein Mann und ich waren froh darüber,
weil Louise auf unsere Tochter einen
schlechten Einfluss hatte.
Cill wollte mir nicht sagen, warum
sie sich mit Louise in der Schule ge-
stritten hatte, und ich ließ durchbli-
cken, ihr Vater würde sich über den
Unterrichtsausschluss sehr ärgern. Sie
wurde wütend und rannte in ihr Zimmer,
wobei sie sagte, es sei überhaupt
nicht ihre Schuld gewesen. Einer ihrer
Bemerkungen konnte ich entnehmen, dass
Louise Burton nicht die gleiche Strafe
erhalten hatte wie sie. Da ich das nicht
in Ordnung fand, rief ich Miss Brett,
die Schulleiterin, an und bat um eine
Erklärung. Sie sagte, Louise habe be-
hauptet, der Streit habe angefangen, als
Cill sie drängte, wieder die Schule zu
schwänzen, und Cill habe dies nicht be-
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stritten. Unter diesen Umständen habe
sie es für angebracht gehalten, Cill zu
bestrafen.
Wir haben uns im letzten Vierteljahr
große Sorgen um Cill gemacht. Ohne er-
sichtlichen Grund begann sie plötz-
lich den Unterricht zu schwänzen, und
vor einigen Wochen teilte man uns mit,
dass sie von der Schule fliege, wenn
sie weiterhin ständig den Unterricht
versäume. Die Anstifterin zum Schwänzen
war Louise Burton, die beim Lernen große
Schwierigkeiten hat und im Unterricht
kaum mitkommt. Mein Mann und ich haben
Miss Brett gebeten, Cill in eine Klasse
zu versetzen, in der sie stärker ge-
fordert wird. Wir haben außerdem zwei-
mal mit Mr. und Mrs.
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