Der Außenseiter
Burton gesprochen
und sie gebeten, auf Louise einzuwirken.
Beide Versuche blieben ohne Erfolg.
Mein Mann David arbeitet nachts in der
Werkzeugfabrik Brackham & Wright. Er hat
geschlafen, als Cill nach Hause kam, und
ich hielt es für besser, sie in ihrem
Zimmer zu lassen, bis er um 20 Uhr zur
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Arbeit ging. Ich wusste, dass er sau-
er werden würde, und dachte, es wäre
besser, ihm erst heute Morgen (Samstag)
von dem Unterrichtsausschluss zu erzäh-
len. Aber Cill hat so viel Lärm gemacht,
dass er aufwachte. Als er eine Erklärung
verlangte, beschimpfte sie ihn und
sagte, sie brauche ihm überhaupt nichts
zu erklären, wenn sie keine Lust dazu
habe.
Cill ist unser einziges Kind, und David,
mein Mann, macht sich große Sorgen um
sie. Sie ist für ihr Alter gut entwi-
ckelt und überdurchschnittlich intelli-
gent, aber sie lässt sich leicht beein-
flussen. Wir hatten nie Probleme mit ihr,
bis sie in die Gesamtschule Highdown kam.
Cill hat ihrem Vater immer wieder vorge-
worfen, er wäre zu streng, und hat ihm
die Eltern anderer Kinder als Beispiel
vorgehalten. Es ärgert sie, dass sie
abends nicht weggehen darf und dass
sie keine herausfordernde Kleidung tra-
gen darf. Es hat deswegen immer wieder
Streit mit ihrem Vater gegeben.
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Als sie ihm nicht sagen wollte, warum
sie sich mit Louise geprügelt hatte,
gab er ihr drei Schläge mit dem Gürtel.
David ist immer schon der Meinung gewe-
sen, dass man mit der Schule zusammenar-
beiten muss, auch was Strafen angeht. Er
befahl Cill, so lange in ihrem Zimmer zu
bleiben, bis sie bereit wäre, alles zu
erklären und sich zu entschuldigen. Sie
ging sofort hinauf und knallte die Tür
hinter sich zu.
Als ich um halb elf zu Bett gegangen
bin, habe ich unter ihrer Tür kein Licht
gesehen, und das Radio lief nicht. Sie
hat aber keinesfalls das Haus verlassen,
solange ich noch unten war. Da hätte ich
sie gesehen. Auf der anderen Seite habe
ich einen leichten Schlaf, und ich erin-
nere mich, dass ich in der Nacht einmal
kurz aufgewacht bin. Ich glaube, es war
ungefähr Viertel nach zwölf. Ich vermute
jetzt, dass ich vielleicht gehört habe,
wie die Haustür zugefallen ist, aber si-
cher bin ich mir nicht.
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Als David heute Morgen (Samstag) von der
Arbeit kam, bin ich aufgestanden, um das
Frühstück zu machen. Wir waren ungefähr
eine Stunde lang in der Küche und haben
über Cill gesprochen, dann bat er mich,
sie herunterzurufen. Wir meinten beide,
es wäre das Beste für sie, wenn wir sie
eine Zeit lang nicht ausgehen ließen
und darauf bestehen würden, dass sie zu
Hause hilft. Aber sie war nicht in ih-
rem Zimmer, und ihr Bett war unberührt.
Aus ihrem Schrank fehlten ein kleiner
Rucksack, ihr Nachthemd, zwei Röcke und
mehrere T-Shirts.
Ich habe sofort die Eltern von Louise
Burton angerufen und drei andere
Freundinnen von Cill (Rosie Maine, Ginny
Lawson, Katey Cropper), aber niemand
wusste etwas von ihr. Dann ist David im
Auto losgefahren, um sie zu suchen, und
ich habe die Polizei angerufen. Sie ist
noch nie von zu Hause weggelaufen, und
wir haben keine Ahnung, wo sie mitten
in der Nacht hingegangen sein kann. Wenn
sie bei einer Freundin wäre, hätten die
Eltern uns Bescheid gegeben. Wir haben
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große Angst, dass sie vielleicht ein
fremdes Auto angehalten hat und sich in
ernster Gefahr befindet.
Constable Prentice und Constable Reed
haben mir erklärt, dass es nicht das
Gleiche ist, ob ein Kind von zu Hause
ausgerissen oder entführt worden ist,
und dass diese Fälle deshalb auch unter-
schiedlich behandelt werden. Mir wurde
mitgeteilt, dass Kinder, die nach einem
Streit mit den Eltern von zu Hause weg-
laufen, meistens innerhalb von vierund-
zwanzig Stunden wieder auftauchen.
Jean Trevelyan
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POLIZEIPROTOKOLL
Datum: 02.06.70
Uhrzeit: 11 Uhr 30
Vernehmende Beamte: Constable William,
Kriminalpolizei, Constable Prentice
Anlass: Verschwinden von Priscilla (Cill)
Trevelyan am 30.05.70 / Zeugenaussage
David Trevelyan
Mr. David Trevelyan wurde aufgefordert,
sich zur Vernehmung auf der Polizei-
dienststelle Highdown einzufinden. Er
erschien aus freien Stücken, reagierte
jedoch feindselig auf viele Fragen, die
ihm gestellt wurden. Die folgende Aus-
sage wurde von Mr. Trevelyan zu Proto-
koll gegeben und unterzeichnet:
Ich weiß nichts über das Verschwinden
meiner Tochter. Meinetwegen können Sie
die Beziehung zwischen uns als eine Art
Hassliebe
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