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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sich.
    »Warum hat sie dich als Schwein bezeichnet?«
    Jonathan drückte sich die Fäuste in die Augen. »Sie hatte was gegen mich. Sie behauptete, ich würde sie einschüchtern und sagte dann, ›Was kann man von einem Schwein anderes erwarten als Grunzen‹.«
    »Was hast du getan?«
    »Ich bin gegangen.«
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    »Ich meine, wie hast du sie eingeschüchtert?«
    »Ich habe sie nicht nach ihren verdammten Abschlüssen gefragt.«
    Eine sehr aufschlussreiche Erklärung war das nicht, aber Andrew konnte sich denken, was geschehen war. »Dem entnehme ich, dass du sie von oben herab behandelt hast – und ihr das nicht passte.«
    Jonathan antwortete mit einem gleichgültigen Schulterzucken, das Andrew als Zustimmung nahm.
    »Wer hat dir die Brieftasche gestohlen?«
    »Ich glaube, es war die Frau am Bahnhof, aber es kann jeder gewesen sein.«
    »Welche Frau?«
    »Die mir geholfen hat.«
    »Wie heißt sie?«
    »Keine Ahnung. Sie hat es mir nicht gesagt.«
    »War das vor oder nach deinem Amoklauf?«
    »Vorher.«
    »Warum brauchtest du überhaupt Hilfe?«
    »Die Polizisten dachten, ich hätte eine Bombe in meiner Aktentasche, und sie hat sie aufgemacht, zum Beweis, dass ich harmlos war.« Jonathan lachte erstickt. »Sie sagte, sie wolle mir einfach nur helfen … und ich habe ihr geglaubt! Wie kann man so dumm sein! Seit wann gibt’s bei Frauen irgendwas umsonst?«
    Andrew fragte sich flüchtig, ob das eine verdeckte Anspielung auf Emma war, dann legte er die Bemerkung ad acta. Er hatte jetzt keine Zeit, sich 196

    auf Nebenkriegsschauplätze locken zu lassen. »Der Sergeant hat nichts von einer Bombe erwähnt. Er sagte, du hättest Leute angerempelt und herumge-schrien, du wärst Falstaff.«
    »Das war an einem anderen Bahnhof. Sie haben mich vom Eingang aus beobachtet, weil ich schwitzte.«
    »An welchem Bahnhof?«
    »Branksome.«
    »Es war den ganzen Tag eiskalt. Wieso hast du geschwitzt?«
    »Mir war nicht gut. Aber in diesem Land darf es einem nicht schlecht gehen, wenn man eine dunkle Haut hat. Das macht den Eingeborenen Angst.«
    »Red kein Blech, Jon. Wir haben unsere guten und unsere schlechten Seiten, aber insgesamt sind wir ein ziemlich friedfertiges Volk.«
    »Warum führen wir dann Krieg?«
    Andrew drehte den Kopf, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Geht es darum? Haben sie dir in den Staaten die Hölle heiß gemacht?«
    Jonathan lachte dumpf. »Wie allen Arabern. Wir sind ja alle potenzielle Terroristen.«
    Andrew schüttelte den Kopf. »Aber du bist kein Araber. Du bist halb Jamaikaner und halb Chinese, und dank irgendeiner genetischen Laune siehst du aus wie ein Beduine.«
    Jonathans Gesicht wurde starr. »Woher weißt du von meiner Herkunft?«
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    »Du hattest nach der Trennung von Emma einen
    Abend einen Bombenrausch. Ich konnte nicht allem folgen, was du vor dich hin gelallt hast, aber den karibisch-asiatischen Konflikt habe ich voll mitbekommen.« Tiefe Verachtung für seine Eltern gepaart mit einem Hass auf alles Afro-karibische oder Chinesische wegen der Banden, die ihn als Kind terrorisiert hatten.
    »Warum hast du nicht früher etwas gesagt?
    Warum hast du mich weitermachen lassen?«
    »Ich fand, dass es mich nichts angeht. Wenn du gern Araber oder Iraner sein möchtest, bitte. Es ist nicht weiter von Bedeutung, es sei denn, es bereitet dir Unbehagen. Ist es so?«
    Staatsangehörigkeit lässt sich ändern, sie ist keine Frage der Geburt … »Nein.«
    »Warum bist du dann hier? Warum ging es dir am Bahnhof nicht gut?«
    »Es war der Jetlag. Ich brauchte einfach eine Verschnaufpause, da habe ich mich an eine Mauer gelehnt.«
    »Wie lange?«
    »Ich weiß nicht mehr.«
    »Und dann kam diese Frau und wühlte deine Aktentasche durch?«
    »Ja.«
    »Und du fandest das nicht etwas merkwürdig?«
    Jonathan sah ihn an, seine Augen waren blut-unterlaufen vor Erschöpfung. »Jetzt finde ich das 198

    schon«, murmelte er. »Aber da auf dem Bahnhof habe ich ihr geglaubt. Ich habe ihr sogar noch für ihre Freundlichkeit gedankt. Dümmer geht’s kaum … sich von einer Frau für dumm verkaufen lassen und sich dafür auch noch zu bedanken.«
    Es erklärte den Bezug zu Falstaff, dachte Andrew.
    »Ach, komm, Jon, du bist reingelegt worden. Mir klingt das nach einer Profimasche – man sucht sich jemanden, der irgendwelche Probleme hat, und beklaut ihn, während man so tut, als würde man ihm helfen. Du hättest das der Polizei erzählen sollen. Diese Frau ist denen wahrscheinlich schon bekannt.«
    Jonathan sagte

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