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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Teil der Fiktion. Er glaubt, Image wäre alles – wenn es einem gelingt, allen vorzu-spiegeln, man gehörte zur Elite, dann hat man es geschafft. Der Haken ist nur, dass man dann das entsprechende Leben führen muss – und wenn man sich das nicht leisten kann, verliert man seine Freunde.« Andrew zuckte mit den Schultern.
    »Ich denke, er hat Angst, dass sein Betrug jeden Moment auffliegen wird. Wahrscheinlich hat er deshalb keinen seiner Kollegen an der Universität gebeten, für ihn zu bürgen.«
    Der Sergeant machte ein nachdenkliches Gesicht.
    »Es ist strafbar, bei einer Stellenbewerbung falsche Angaben zu machen.«
    Andrew schüttelte den Kopf. »Sein Studienab-schluss ist in Ordnung«, sagte er mit einem weh-mütigen Lächeln. »Was ihm Sorge bereitet, ist seine Herkunft. Der Mann ist Anthropologe. Es 192

    wird ihm nicht leicht fallen einzugestehen, dass er das Produkt aus der Verbindung eines jamaikanischen Straßenkehrers mit einem Dienstmädchen aus Hongkong ist, da er sich jahrelang als dunkelhäutiger Weißer ausgegeben hat.«
    Nachdem man Andrew eine halbe Stunde zuge-standen hatte, den Freund zur Erteilung der verlangten Auskünfte zu bewegen, versuchte der sein Glück statt mit Anteilnahme mit schonungs-loser Aufrichtigkeit. Er zählte die Optionen auf.
    Vorausgesetzt, Jonathan habe keine Straftat zu verbergen, könne er entweder eine Erklärung geben und mit Andrew noch an diesem Abend nach Hause fahren, oder er könne sich weiterhin in Schweigen hüllen und die Nacht in einer Zelle verbringen, während die Polizei seine Freunde und Kollegen in London befragte. Sollte er sich für das Letztere entscheiden, so würde sich bald herum-sprechen, dass er festgenommen worden war, und er würde selbst sehen müssen, wie er nach Hause kam, falls und wenn er auf freien Fuß gesetzt würde. Da die Polizei weder Kreditkarten noch Bargeld oder eine Rückfahrkarte bei ihm gefunden hatte, könnte sich das als schwierig erweisen.
    Sollte Jonathan sich keinen Anwalt leisten können, so sitze im Wartezimmer ein amtlich bestellter Rechtsbeistand in Gestalt einer jungen Dame, an die er sich wenden könne.
    193

    Aber wolle er wirklich seine Qualen noch verlängern, indem er einer wildfremden Person, einer ge-langweilten Praktikantin, die noch nicht einmal ihr Examen abgelegt habe, sein Verhalten erklärte, obwohl klar sei, dass die ganze Sache eine Bagatelle sei? Der Amtsarzt, der ihn untersucht hatte, habe von einer Depression gesprochen, und wenn Jon auf seinem Schweigen beharre, sei es gut möglich, dass er als Nächstes in der Psychiatrie landen würde. Das würde, wenn eine Erklärung für seine Abwesenheit die Universität erreichte, schwerwie-gendere Nachwirkungen haben als ein diskreter Besuch bei einem Allgemeinarzt in London.
    Und schließlich habe sein Agent, der seinen Autor besser kenne als dieser ahne, bereits reinen Tisch gemacht, was Jonathans finanzielle Lage, seine Selbstwertprobleme und seine Beziehungsunfähig-keit angehe … es sei also sinnlos, die krampfhaf-ten Versuche, das Gesicht zu wahren, fortzusetzen.
    »Du könntest mir Geld leihen, damit ich nach Hause komme«, murmelte Jonathan, den Blick zu Boden gerichtet.
    »Ich könnte, ja, aber das werde ich nicht tun.
    Was ist aus deinem Geld geworden?«
    »Es wurde gestohlen.«
    »Warum hast du das nicht der Polizei gesagt?«
    »Weil das lauter Faschisten sind, und sie mich nur festgenommen haben, weil ich schwarz bin.«
    Ganz von der Hand zu weisen war das sicher 194

    nicht, dachte Andrew, aber jetzt war nicht der Moment, das zu sagen. »Werd erwachsen, Jon«, sagte er kurz. »Fußballhooligans werden regelmäßig festgenommen, weil sie randalieren, und neunundneunzig Prozent von ihnen sind Weiße.
    Deine Hautfarbe hatte nichts damit zu tun. Aber ganz gleich, du bist jetzt da, wo du bist. Du kannst entweder weiterhin deine Wunden lecken oder du kannst Vernunft annehmen. Ob zu Recht oder Unrecht, du sitzt in einem Provinzknast, weil du aus der Rolle gefallen bist. Weiß der Himmel, was los war, aber du kannst es entweder mir erzählen –oder dem Sergeant. Aber erzählen musst du es.«
    Jonathan senkte den Kopf in die Hände, ohne zu antworten.
    »Was ist mit diesem Gardener los? Wie ist das Treffen gelaufen?«
    »Sie hat mich als Schwein bezeichnet.«
    »Sie? Ich dachte, Gardener wäre ein Mann.«
    »Klein, dick und herrschsüchtig. Ein bisschen wie du, nur ist sie eine hässliche alte Jungfer.«
    Andrew zog sich einen Stuhl heran und setzte

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