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Der Automatische Detektiv

Der Automatische Detektiv

Titel: Der Automatische Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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herein und entließ ihn.
    »Es war mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir«, sagte er.
    »Gleichfalls«, gab ich zurück, als sich die Gondeltüren schlossen.
    Ich scannte und analysierte Lucia Napier. Biologische Vorstellungen von Schönheit bedeuteten mir nichts, aber mein Evolutionsprogramm hatte inzwischen einige Zeit versucht herauszufinden, was Menschen attraktiv machte. Es schlüsselte alle Merkmale auf: eins vierundsiebzig groß. Lange, blonde Haare. Funkelnde blaue Augen. Stupsnase. Glatter Teint. Richtige Anzahl gut proportionierter Gliedmaßen. Schmale Taille. Runde Hüften. Brüste, die klein waren, aber keck und bemerkenswert. Ein hübsch geschnittenes Kleid, das ihre Kurven betonte, ohne zu auffällig zu sein, und einen geschmackvollen flüchtigen Eindruck ihres Dekolletés bot. Mein Auswerter führte ein paar schnelle Berechnungen durch und spuckte eine Bewertung aus.
    Attraktiv für zweiundneunzig Prozent der durchschnittlichen biologischen Bevölkerung mit einer Marge von acht Prozentpunkten, beruhend auf persönlichen Vorlieben. Es war kaum zuverlässig. Schönheit war mehr als die Summe seiner Teile. Oder manchmal auch weniger.
    Napier brauchte länger, um sich ein Urteil über mich zu bilden. Das lag nicht an ihr. Nur an der leistungsschwachen Beschaffenheit dieses chemischen Klumpens in ihrem Schädel. Sie stand zehn Sekunden da, der Gesichtsausdruck war bis auf ein leichtes Lächeln leer.
    »Sehr beeindruckend.« Sie trat vor und streckte mir die Hand hin, den Handrücken nach oben. Das überraschte mich. Die meisten Biologischen vertrauen einer großen, gefährlichen Maschine nicht genug, um sofort einen Handschlag zu riskieren. Meine riesigen, knochenbrechenden Hände können ziemlich einschüchternd sein, und als ich ihre empfindliche, matschige Haut in meine Metallpranke nahm, konnte ich den Biologischen daraus wirklich keinen Vorwurf machen.
    Napiers Lächeln wurde breiter. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie endlich kennenzulernen, Mack.«
    »Gleichfalls.«
    »Sagen Sie das nur aus Freundlichkeit oder meinen Sie es auch so?«
    »Ich sage es nur so.«
    Sie kicherte leicht. »Oh, ich liebe euch Roboter und eure rücksichtslose Ehrlichkeit. Biologische sind so schwer festzunageln. Sie allerdings nicht. Sie sagen, was Sie wollen.«
    »Meine Seelenklempnerin meinte, ich solle an meiner sozialen Subroutine arbeiten.«
    »O nein, bloß nicht!« Sie runzelte die Stirn. »Ändern Sie gar nichts. Es ist so erfrischend.« Sie holte tief Luft. »So wunderbar direkt.«
    Sie wandte sich um und ging durch einen pseudoklassizistischen Torbogen. Da sie immer noch meine Hand hielt, war ich höflich und folgte ihr. Wir traten in einen Korridor, der von Fotos von Lucia mit anderen Leuten gesäumt war. Ich stellte die Hypothese auf, dass sie alle wichtig waren, auch wenn ich nicht viele erkannte. Dennoch gab es genug Fotos, auf denen ich ein paar Schauspieler, Jazzmusiker und Politiker scannte, die ich in meiner Speichermatrix hatte.
    Das größte Bild zeigte Lucia, die von Diamond Jill Mahoney eine Auszeichnung überreicht bekam, der ersten Mutantenbürgermeisterin von Empire City. Sie war eine Normale gewesen, als sie gewählt wurde. Die spontane Kristallisierung ihrer Haut war im dritten Jahr ihrer ersten Amtszeit erfolgt.
    Der Korridor endete, und wir traten in einen neuen Raum aus glänzendem Stahl. Alles – von den Wänden bis zum Boden und den Möbeln – schimmerte, als sei es gerade frisch poliert worden. Sieben weiße Teppiche waren im Raum verteilt, außerdem zwei Metallvasen, deren Form gleichzeitig antik und neu aussehen sollte, und ein zwei Meter siebzig großer Klumpen Titan, der versuchte, als Skulptur durchzugehen. Der Raum sah nicht aus, als könnten Biologische tatsächlich darin leben. Nichtsdestoweniger ließ Napier meine Hand los, machte es sich in der Ecke einer flauschigen weißen Couch gemütlich und schaffte es irgendwie, dass es tatsächlich so aussah, als fühle sie sich wohl.
    Ein Butler-Automatischer, gehüllt in einen cremefarbenen Smoking, glitt durch den Raum. Ich kannte das Modell nicht, und er trug keinerlei Firmenlogo. Musste eine Sonderanfertigung sein. Er reichte Napier ein blubberndes grünes Gebräu.
    »Danke, Humbolt.«
    »Gern geschehen, Puppe.« Sie hatte auf das übliche Altes-Geld-Englischer-Butler-Stimmpaket verzichtet und ihm einen ruppigen Brooklyn-Tonfall gegeben.
    Sie nippte an ihrem Drink. »Atomic Kiss. Der letzte Schrei. Na ja, noch nicht ganz.

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