Der Azteke
das?«
»Irgendein Sklave, den ich im Palast gesehen habe«, erklärte ich ihr. »Ich glaube, er arbeitet als Abfallträger.«
»Hole ihn!« befahl sie und reichte mir ihren Smaragdring.
»Aber Gebieterin!« wandte ich ein. »Einen Sklaven?«
»Wenn ich sehr gibberig bin, bin ich nicht sonderlich heikel«, sagte sie. »Außerdem sind Sklaven manchmal sehr gut. Diese Tröpfe wagen es nicht, sich zu weigern, auch noch den erniedrigendsten Aufforderungen zu entsprechen, die an sie gestellt werden.« Sie lächelte ihr sirupsüßes Lächeln. »Und je weniger Rückgrat ein Mann hat, zu desto reptilienhafteren Verrenkungen gibt er sich her.«
Ehe ich weitere Einwände erheben konnte, führte Jadestein Puppe mich zu einem Alkoven in einer Wandnische und sagte: »Jetzt sieh dir das hier an! Der zweite Gott, den ich dem sogenannten Meisterbildhauer Pixquitl in Auftrag gegeben habe.«
»Das ist kein Gott«, sagte ich, und mir sträubten sich die Haare. »Das ist der Gärtner Xali-Otli.«
Warnend und mit kalter Stimme sagte sie: »Was dich und jeden anderen in Texcóco betrifft, ist das hier irgendein geringerer Gott, der von meiner Familie in Tenochtítlan verehrt wird. Aber lassen wir das. Du hast jedenfalls das Gesicht erkannt. Ich lege aber meine Hand dafür ins Feuer, daß das niemand sonst täte, höchstens noch seine Mutter. Dieser alte Pixquitl ist ein hoffnungsloser Nichtskönner. Ich habe nach diesen Mexíca-Künstlern geschickt, von denen ich sprach. Sie werden gleich nach dem Ochpanitztli-Fest hier eintreffen. Gehe hin und bestelle Pixquitl, ich wünsche, daß er eine eigene Werkstatt für sie vorbereitet und mit allem ausstattet, was sie brauchen. Jetzt such mir diesen Sklaven. Gib ihm den Ring und erteile ihm die üblichen Anweisungen.«
Als ich dem Bildhauer wieder gegenübertrat, sagte er verdrießlich: »Ich kann nur sagen, daß ich mein Bestes mit der Zeichnung getan habe, die mir gegeben wurde. Allerdings hat sie mir diesmal auch noch einen Schädel gegeben, damit zu arbeiten.«
»Was?«
»O ja, es ist wesentlich leichter, eine überzeugende Ähnlichkeit zu erreichen, wenn man tatsächlich die Schädelknochen hat, sie mit Ton überzieht und danach zu modellieren.«
Immer noch wollte ich nicht glauben, was mir schon längst hätte klar sein müssen, und daher stammelte ich: »Aber – aber, Meister Pixquitl-, kein Mensch könnte den Totenschädel eines Gottes haben.«
Lange und eindringlich blickte er mich aus seinen alten Augen mit den schweren Lidern darüber an. »Ich weiß nur, daß man mir den Schädel eines Mannes gegeben hat, der noch nicht lange tot war – und daß die Schädelstruktur annähernd den Gesichtszügen der Zeichnung entsprach, die ich gleichfalls erhielt. Außerdem hat man mir gesagt, die Zeichnung stelle einen weniger bedeutenden Gott dar. Ich bin kein Priester. Wie käme ich also dazu, daran zu zweifeln, daß es sich wirklich um einen Gott handelt. Aber ich bin auch kein Narr, den Befehl einer gebieterischen Königin anzuzweifeln. Ich verrichte die Arbeit, die mir aufgetragen wird, und habe es bislang geschafft, daß mir mein eigener Schädel noch auf dem Hals sitzt. Versteht Ihr?«
Wie vor den Kopf geschlagen nickte ich. Endlich verstand ich, und zwar nur allzu gut.
Der Meister fuhr fort: »Ich werde die Werkstatt für die neuen Künstler vorbereiten, die bald eintreffen sollen. Allerdings muß ich sagen, beneiden tue ich niemand, der auf diese Weise für die Dame Jadestein Puppe arbeiten muß. Weder mich. Noch sie! Noch Euch.«
Mir behagte diese Erkenntnis – Opferbeschaffer einer Mörderin zu sein – genausowenig, steckte jedoch schon so tief in allem drin, daß ich keine Möglichkeit sah, mich dem zu entziehen. Also ging ich hin und suchte den Sklaven, der Niez Hueyotl hieß – also den für Sklaven typischen hochtrabenden Namen, »Ich Werde Größe Besitzen«, trug. Offenbar machte er diesem Namen jedoch keine Ehre, denn es dauerte nicht lange, da ließ Jadestein Puppe mich abermals holen.
»Du hattest recht, Hole!« sagte sie. »Ein Sklave kann ein Fehler sein. Dieser hatte die Stirn, sich nachgerade als Mensch zu betrachten.« Sie lachte. »Nun, es wird nicht lange dauern, und er ist ein Gott, und das ist mehr, als er jemals hat erwarten dürfen. Aber dabei geht mir etwas auf. Mein Herr und Gebieter könnte anfangen, sich zu fragen, warum ich eigentlich nur Götter in meinen Gemächern habe. Es sollte zumindest eine Göttin dazukommen. Unter den letzten Bildern,
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