Der Azteke
über alles, was ich für sie getan hatte, ein umfassendes Geständnis ab und ließ nichts aus. Als ich anfing, von Etwas Köstliches zu berichten, wurde ich von einer weiteren Welle der Erregung im Saal unterbrochen. Der verwitwete Ehemann, der den Verstand verloren hatte, mußte von den Wachen daran gehindert werden, sich auf mich zu stürzen und mich zu erwürgen; er schrie, schlug um sich, versprühte Speichel und wurde hinausgetragen. Als ich meinen Bericht geendet hatte, sah Herr Stark Knochen mich voller Verachtung an und sagte:
»Zumindest ein freimütiges Geständnis. Hast du sonst noch etwas zu deiner Verteidigung vorzubringen?«
Ich sagte: »Nein, nichts.«
Woraufhin sich eine andere Stimme vernehmen ließ. »Wenn der Schreiber Dunkle Wolke es ablehnt, sich zu verteidigen«, sagte Nezahualpíli, »gestatten die Herren Richter dann, daß ich ein paar mildernde Umstände anführe?« Zögernd gaben die beiden Untersuchungsrichter ihr Einverständnis; ihnen ging es offensichtlich wider den Strich, daß ich von irgendwelcher Schuld freigesprochen werden sollte, doch konnten sie ihrem Uey-Tlatoáni seine Bitte nicht abschlagen.
Nezahualpíli erklärte: »Als dieser junge Mann der Dame Jadestein Puppe diente, tat er dies, wenn auch vielleicht unbesonnen, auf meinen ausdrücklichen Befehl hin, daß er der Dame fraglos und aufs Wort zu gehorchen habe. Ich gebe zu bedenken, daß ich meinen eigenen Befehl schlecht formuliert habe. Des weiteren ist deutlich geworden, daß Dunkle Wolke zuletzt die einzige Möglichkeit ergriff, die Wahrheit über die ehebrecherische und mörderische Dame ans Tageslicht zu bringen. Hätte er das nicht getan, meine Herren Richter, wären wir womöglich gezwungen gewesen, sie irgendwann einmal wegen Mordes an vielen weiteren Opfern vor Gericht zu stellen.«
Richter Tepitzic brummte: »Die Worte unseres Herrn Nezahualpíli werden bei unseren Beratungen gebührend berücksichtigt werden.« Woraufhin er dann wieder mich ansah. »Ich habe nur noch eine weitere Frage an den Angeklagten zu richten. Hast du, Tliléctic-Mixtli, der Dame Jadestein Puppe jemals beigewohnt?«
Ich sagte: »Nein, mein Herr.«
Offensichtlich in der Hoffnung, mich bei einer Lüge ertappt zu haben, die mein Schicksal besiegeln würde, rief er meinen Sklaven Cozcatl auf und fragte ihn: »Hat dein Herr jemals körperliche Beziehungen mit der Dame Jadestein Puppe unterhalten?«
Mit piepsiger Stimme sagte Cozcatl: »Nein, mein Herr!«
Doch Tepitzic ließ nicht locker: »Aber sie hatten jede Gelegenheit dazu.«
Ohne sich beirren zu lassen, sagte Cozcatl: »Nein, meine Herren. Wann immer mein Gebieter für längere oder kürzere Zeit bei der Dame Jadestein Puppe weilte, war ich dabei. Weder mein Gebieter noch irgendein anderer Mann vom Hof hat der Dame beigewohnt – bis auf einen. Und das geschah während der Abwesenheit meines Gebieters auf Xaltocan, eines Nachts, als die Dame sich keinen Bettgenossen von außerhalb verschaffen konnte.«
Die Richter lehnten sich vor. »Jemand aus dem Palast? Wer?«
Cozcatl sagte: »Ich«, und die Richter fuhren wieder zurück.
»Du?« fragte Herr Stark Knochen. »Wie alt bist du, Sklave?«
»Ich bin gerade elf geworden, mein Herr.«
»Sprich lauter, Knirps! Willst du uns etwa weismachen, du habest der angeklagten Ehebrecherin als Bettgenosse gedient? Dich tatsächlich mit ihr gepaart? Daß du schon ein Tepúli besitzt, das imstande wäre …«
»Mein Tepúli?« piepste Cozcatl schrill und entsetzt darüber, daß er die Unverschämtheit besessen hatte, dem Richter ins Wort zu fallen. »Meine Herren, mein Tepúli ist zum Wasserabschlagen da! Ich habe meine Dame – wie sie es von mir verlangte – mit dem Mund bedient. Nie würde ich eine Edelfrau mit etwas so Häßlichem wie einem Tepúli berühren …«
Wenn er noch mehr gesagt hat, so ging das im brüllenden Gelächter der Zuschauer unter. Selbst die Richter hatten Mühe, ein unbewegtes Gesicht zu bewahren. Das war der einzige Augenblick an diesem schrecklichen Tag, da es zu einer belustigten Erleichterung kam.
Tlatli war einer der letzten Mitverschwörer, die aufgerufen wurden. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß Chimáli in jener Nacht, da Nezahualpílis Wachen die Werkstatt durchsuchten, etwas zu erledigen hatte und außerhalb von Texcóco weilte. Für Nezahualpíli oder seine Helfer war kein Grund vorhanden gewesen, auch noch das Vorhandensein eines weiteren Künstlers zu vermuten. Offensichtlich hatte auch hinterher
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