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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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keiner von den Angeklagten daran gedacht, Chimáli zu erwähnen, und offenbar war es Tlatli bislang gelungen, so zu tun, als habe er allein gearbeitet.
    Stark Knochen sagte: »Chicuáce-Cali Ixtac-Tlatli, du gestehst, daß einige der zum Beweis vorgelegten Standbilder dein Werk sind.«
    »Jawohl, meine Herren«, sagte er mit fester Stimme. »Ich kann das kaum leugnen. Ihr könnt mein Signaturzeichen auf ihnen erkennen: das eingeschnittene Symbol eines Falkenkopfes und darunter den Abdruck meiner blutigen Hand.« Seine Augen suchten die meinen und flehten um Verschwiegenheit als wollte er zu mir sagen: »Schone jedenfalls meine Frau«, und ich bewahrte auch tatsächlich Schweigen.
    Zuletzt zogen die beiden Untersuchungsrichter sich zur Beratung zurück. Alle anderen in der Halle der Gerechtigkeit traten dankbar aus dem großen, aber stickig gewordenen Raum hinaus ins Freie, um im Garten frische Luft zu schnappen oder eine Poquietl zu rauchen. Wir Angeklagten blieben – zwei bewaffnete Wachen neben einem jeden von uns – zurück und vermieden es tunlichst, einander anzublicken.
    Es dauerte nicht lange, bis die Richter zurückkehrten und die Halle sich wieder füllte. Die Weibliche Schlange, Herr Stark Knochen, verkündete nach der üblichen Formel: »Wir, die mit der Untersuchung beauftragten Richter, haben uns bei unseren Beratungen ausschließlich auf das hier vorgebrachte Beweismaterial und die Zeugenaussagen verlassen und haben uns redlich, ohne jemanden zu bevorzugen und ohne daß irgendein anderer Mensch eingegriffen hätte, unser Urteil gebildet und uns dabei einzig auf die Hilfe von Tonantzin, der mildtätigen Göttin des Gesetzes, der Gnade und der Gerechtigkeit, verlassen.«
    Er nahm einen Bogen feinsten Papiers zur Hand, las darin nach und verkündete zunächst: »Wir finden übereinstimmend, daß der angeklagte Schreiber, Chicóme-Xochitl Tliléctic-Mixtli einen Freispruch verdient insofern, als seine Handlungen, wenngleich an sich strafwürdig, nicht in böser Absicht begangen und überdies dadurch gesühnt wurden, daß durch sein Eingreifen andere zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Allerdings« – und bei diesem Wort blickte Stark Knochen erst auf den Verehrten Sprecher, um dann mich anzufunkeln – »empfehlen wir, daß der Beklagte als Fremder aus diesem Lande, dessen Gastfreundschaft er mißbraucht hat, verstoßen werde.«
    Nun, ich will nicht behaupten, daß ich darüber erfreut gewesen wäre. Nur wäre es Nezahualpíli ein leichtes gewesen, dafür zu sorgen, daß die Richter mit mir genauso erbarmungslos umgesprungen wären, wie sie es mit den anderen taten. Die Weibliche Schlange vergewisserte sich nochmals in seinem Papier und verkündete dann: »Nach unserem Urteil sind folgende Personen der verschiedenen Verbrechen schuldig, deretwegen sie hier angeklagt wurden, und bei denen es sich um besonders verruchte, tückische und in den Augen der Götter verdammenswerte Taten handelt.« Dann las er die Namensliste der Schuldigen vor: der Herr Freude, die Dame Jadestein Puppe, die Bildhauer Pixquitl und Tlatli, mein Sklave Cozcatl, zwei Wachen, die abwechselnd Nachtdienst am Osttor des Palastes taten, Jadestein Puppes Zofe Pitza und zahllose andere Dienerinnen sowie sämtliche Köche und Küchenarbeiter. Damit schloß die mit eintöniger Stimme vorgetragene Aufzählung. Sodann sagte er: »Was diese für schuldig befundenen Personen betrifft, so sprechen wir keinerlei Empfehlungen aus, weder in bezug auf die Schwere noch auf die Milde des Urteils. Die Urteile, die über sie verhängt werden, werden vom Verehrten Sprecher verkündet.«
    Langsam erhob sich Nezahualpíli. Einen Augenblick stand er in tiefes Nachdenken versunken da, dann sagte er: »Wie die Herren Untersuchungsrichter empfohlen haben, wird der Schreiber Dunkle Wolke von Texcóco und allen Herrschaftsbereichen der Acólhua verbannt. Den überführten Sklaven Cozcatl begnadige ich hiermit in Ansehung seines zarten Alters, doch wird er gleichfalls aus diesen Landen verbannt. Die Edlen Páctlitzin und Chálchiunenetzin werden nichtöffentlich hingerichtet; die Art ihres Todes zu bestimmen, überlasse ich den Edelfrauen des Hofes von Texcóco. Alle anderen von den Herren Richtern schuldig Gesprochenen sollen öffentlich durch die Icpacxóchitl zu Tode gebracht werden; es wird ihnen verwehrt, vorher Tlazolteotl ihre Vergehen zu beichten. Ihre Leichen sollen zusammen mit den Überresten ihrer Opfer auf einem gemeinsamen Scheiterhaufen den

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