Der Azteke
Flammen überantwortet werden.«
Ich jubelte innerlich, daß der kleine Cozcatl begnadigt worden war, hatte jedoch Mitleid mit den anderen Sklaven und Gemeinfreien. Bei der Icpacxóchitl handelte es sich um die blumenumwundene Würgschlinge; durch sie zu sterben, war schon schlimm genug. Doch außerdem hatte Nezahualpíli ihnen den Trost verweigert, ihre Sünden einem Priester der Tlazolteotl zu bekennen, was bedeutete, daß ihre Missetaten nicht von der Göttin Kot Fresserin getilgt wurden – und da sie zusammen mit ihren Opfern zu Asche verbrannt werden sollten, mußten sie ihre Schuld auf dem Weg zu jeder Gegenwelt mitschleppen, die ihnen bestimmt war; es bedeutete, daß sie eine Ewigkeit an unerträglichen Reuegefühlen leiden mußten.
Cozcatl und ich wurden von unseren Wachen zurückgebracht in meine Gemächer, und dort angekommen, fauchte eine der Wachen: »Was ist denn das?« An der Tür meiner Wohnung, in der Höhe meines Kopfes, prangte ein Zeichen – der Abdruck einer blutigen Hand –, ein stummes Zeichen der Erinnerung daran, daß ich nicht der einzige Schuldige war, welcher an diesem Tage mit dem Leben davongekommen war; und eine unmißverständliche Warnung, daß Chimáli nicht die Absicht hatte, seinen Verlust ungerächt hinzunehmen.
»Da hat sich irgend jemand einen Spaß erlaubt«, tat ich es achselzuckend ab. »Mein Sklave wird das schon wieder abwaschen.«
Cozcatl nahm einen Schwamm und trat mit einem Krug Wasser nach draußen auf den Korridor, während ich gleich hinter der Tür wartete und lauschte. Es dauerte nicht lange, da hörte ich, wie Jadestein Puppe gleichfalls in Gewahrsam gebracht wurde. Den Klang ihrer kleinen Schritte konnte ich unter dem Gepolter der Wachen zwar nicht unterscheiden, doch als Cozcatl mit seinem Krug geröteten Wassers wieder hereinkam, sagte er:
»Die Dame war in Tränen aufgelöst, Herr. Und außer ihren Wachen ist auch noch ein Priester der Tlazoltéotl mitgekommen.«
Laut dachte ich: »Wenn sie schon ihre Sünden bekennt, auf daß sie aufgefressen werden, bedeutete das, daß ihr nicht mehr viel Zeit bleibt.« Und wirklich, ihr blieb sehr wenig. Es sollte nicht lange dauern, da hörte ich, wie ihre Tür abermals geöffnet und sie zum letzten Stelldichein ihres Lebens geleitet wurde.
»Herr«, sagte Cozcatl schüchtern, »Ihr und ich, wir sind jetzt beide Ausgestoßene.«
»Ja«, sagte ich seufzend.
»Wenn wir verbannt werden …« Er rang seine von der Arbeit schwieligen Hände. »Werdet Ihr mich dann mitnehmen? Als Euer Sklave und Diener?«
»Ja«, erklärte ich nach einigem Überlegen. »Du hast mir treu gedient, und ich werde dich nicht verlassen. Aber ehrlich, Cozcatl, ich habe nicht die geringste Ahnung, wohin wir uns wenden sollen.«
Der Junge und ich durften meine Wohnung nicht verlassen und wurden nicht Zeuge der Hinrichtungen. Später erfuhr ich jedoch Einzelheiten darüber, wie die Bestrafung an Herrn Freude und der Dame Jadestein Puppe vorgenommen wurde, und diese Einzelheiten könnten Euer Exzellenz interessieren.
Der Priester der Göttin Kot Fresserin gab dem Mädchen nicht einmal Gelegenheit, sich in den Augen der Göttin von allen Missetaten reinzuwaschen. Unter dem Vorwand, besonders freundlich zu ihr zu sein, bot er ihr eine Tasse Schokolade an – »um Eure Nerven zu beruhigen, meine Tochter« –, unter die er einen Absud der Toloátzin-Pflanze gemischt hatte, die einen mächtigen Schlaftrunk ergibt. Wahrscheinlich verlor Jadestein Puppe das Bewußtsein, noch ehe sie all die Missetaten aufgezählt, die sie vor ihrem zehnten Lebensjahr begangen hatte, und so ging sie immer noch mit viel Schuld beladen in den Tod.
Sie wurde in den Irrgarten des Palasts getragen, von dem ich Euch bereits gesprochen habe, wo man sie all ihrer Kleider entledigte. Dann schleifte der alte Gärtner, der allein die geheimen Wege kannte, sie in die Mitte des Irrgartens, wo Pactlis Leichnam bereits lag.
Der Herr Freude war zuvor den gleichfalls verurteilten Küchenarbeitern überantwortet worden, denen befohlen wurde, ein letztesmal ihr grausiges Werk zu vollbringen, ehe sie selbst hingerichtet wurden. Ob sie Pactli zuvor gnädig den Tod gaben, weiß ich nicht, doch bezweifle ich das, hatten sie doch wenig Grund, ihm freundlich gesonnen zu sein. Sie zogen ihm die Haut vom ganzen Körper ab, bis auf seinen Kopf und sein Gemächt; dann waideten sie ihn aus und trennten alles Fleisch von seinen Knochen. Als nur noch sein Skelett übrig geblieben war – kein
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