Der Azteke
honiggesüßten Maisschrot, und einen Wasserbeutel aus Leder. Jeden Morgen, ehe wir uns in Bewegung setzten, und nochmals während der Mittagspause, verrührten wir das Pinóli mit Wasser, was einen sehr nahrhaften, aber leider nicht sonderlich sättigenden Atoli-Brei ergab. Wenn wir bei Einbruch der Dunkelheit haltmachten, mußten wir jedesmal darauf warten, daß die schwerer beladenen Nachschubeinheiten uns einholten. Doch dann gaben die Verpflegungstruppen an jeden Mann eine kräftige heiße Mahlzeit aus, zu der eine Tasse sämiger, stärkender und den Geist belebender heißer Schokolade gehörte.
Spät am regnerischen, grauen Nachmittag des vierten Tages, als wir mindestens noch Ein Langer Lauf von Texcála entfernt waren, sichteten unsere Späher die wartende Streitmacht von Texcála, und kamen zurückgelaufen, um Nezahualpíli Bericht zu erstatten. Der Feind erwartete uns in großer Stärke jenseits eines Flusses, über den wir zuvor übersetzen mußten. In der Trockenzeit war der Fluß vermutlich nicht mehr als ein kleines seichtes Rinnsal, aber nachdem tagelang ununterbrochen Regen gefallen war, stellte er ein schreckenerregendes Hindernis dar. Wiewohl an seiner tiefsten Stelle immer noch nur hüfthoch, herrschte eine starke Strömung und war der Fluß über einen Pfeilschuß breit. Was der Feind vorhatte, lag auf der Hand. Während wir den Fluß durchwateten, würden wir ein sich nur langsam vorwärtsbewegendes Ziel bilden und außerstande sein, unsere Waffen zu gebrauchen und gleichzeitig den Pfeilen auszuweichen. Mit ihren Pfeilen und atlatl-geschleuderten Spießen gedachten die Texcaltéca, unsere Zahl stark zu vermindern und uns in Schrecken zu versetzen, ehe wir auch nur das gegenüberliegende Ufer erreichten.
Es wird berichtet, Nezahualpíli habe gelächelt und gesagt: »Nun dann. Die Falle ist vom Feind und Tlaloc gemeinsam so trefflich gestellt, daß wir sie nicht enttäuschen dürfen. Wir werden morgen früh in sie hineinlaufen.«
Er gab unserem Heer Befehl, zu halten und die Nacht zu verbringen, wo wir waren, immer noch ein ganzes Stück vom Fluß entfernt; sämtliche befehlshabenden Ritter und Cuachics sollten sich bei ihm einfinden und sich ihre Anweisungen holen. Wir einfachen Krieger saßen oder hockten da oder streckten uns auf dem aufgeweichten Boden aus, während die Leute vom Troß unser – diesmal ausgiebiges – Abendessen bereiteten; denn am Morgen sollten wir nicht Zeit haben, unser Atóli anzurühren.
Die Rüstmeister packten ganze Stapel von Ersatzwaffen aus, die je nach Bedarf am nächsten Morgen ausgegeben werden sollten. Die Trommler spannten ihre Trommelfelle nach, die durch die Feuchtigkeit ganz schlaff geworden waren. Die Wundärzte und Priester bereiteten Heilmittel und Operationsbesteck vor, ihren Weihrauch und ihre Beschwörungsbücher, um am nächsten Tag bereit zu sein, entweder sich der Verwundeten anzunehmen, oder aber den Sterbenden im Namen von Kot Fresserin die Beichte abzunehmen.
Blut Schwelger kam von der Besprechung zurück, als an uns gerade Essen und Schokolade ausgeteilt wurde. Er sagte: »Wenn wir gegessen haben, werden wir unsere Kampfanzüge anziehen und uns bewaffnen. Sobald es dunkel geworden ist, werden wir uns dann zu den uns zugewiesenen Stellungen begeben. Dort werden wir schlafen, denn es gilt, früh aufzustehen.«
Beim Essen setzte er uns Nezahualpílis Plan auseinander. Bei Morgengrauen sollte ein volles Drittel unseres Heeres in schmucken Formationen unter Trommel- und Muschelhornklang mutig zum Fluß hin- und in ihn hineinmarschieren, als hätten sie keine Ahnung von der Gefahr, welche sie drüben erwartete. Sobald der Feind seine Geschosse niederprasseln ließ, sollten die Angreifer auseinanderlaufen und im Wasser umherspritzen, um den Eindruck zu erwecken, überrascht worden zu sein und sich in größter Verwirrung zu befinden. Wenn der Geschoßhagel unerträglich werde, sollten die Männer kehrt machen und denselben Weg zurück fliehen, den sie gekommen seien, und zwar so, daß es nach heilloser Flucht aussah. Nezahualpíli war der festen Überzeugung, daß die Texcaltéca sich von diesem Durcheinander täuschen lassen und die Unvorsichtigkeit begehen würden, den scheinbar Fliehenden nachzusetzen, dermaßen aufgeregt über ihren scheinbar leichten Sieg, daß sie keinen Augenblick darüber nachdenken würden, ob es sich vielleicht um eine List handeln könnte.
Das Gros von Nezahualpílis Heer solle sich hinter Felsen, Büschen und Bäumen
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