Der Azteke
andere Flaggen, um die herum sich die Verbände der Nichtkämpfer scharten: diejenigen Truppen, die für den Nachschub von Essen, Wasser, Rüstungen und Ersatzwaffen verantwortlich waren; sodann die Wund- und Knochenärzte und die Priester der verschiedenen Götter; die Trupps von Trommlern und Trompetern und die Abteilungen der Feßler und Garausmacher, denen es oblag, das Schlachtfeld hinterher zu säubern.
Wenn ich mir auch sagte, schließlich kämpfte ich für Nezahualpíli, und wenn ich mich wegen der geringen Zahl der Mexíca, die an diesem Krieg teilnehmen, schämte – sie waren immerhin meine Landsleute. Infolgedessen ging ich hin, ihrem Anführer, dem einzigen Mexícatl-Führer überhaupt, einem Pfeilritter namens Xococ, meine Dienste anzutragen. Der musterte mich von Kopf bis Fuß und erklärte widerstrebend: »Nun, wenn du auch unerfahren bist, so scheinst du doch außer mir der einzige zu sein, der körperlich mehr auf der Höhe ist als alle, die sonst unter meinem Kommando stehen. Melde dich bei dem Cuachic Extil-Quani.«
Der alte Extil-Quani! Ich war so begeistert, seinen Namen wiederzuhören, daß ich förmlich lief, jenen Wimpel zu erreichen, unter dem er stand und eine Gruppe von unglücklich dreinschauenden jungen Kriegern anbrüllte. Er trug einen Federschmuck sowie einen Knochenpflock in der Nasenscheidewand und am Unterarm außerdem einen Schild mit den Symbolen, die seinen Namen und seinen Rang verkündeten. Ich kniete nieder, fegte den Boden frei und vollführte die Geste des Erdeküssens, dann schlang ich meinen Arm um ihn, als wäre er ein lange vermißter Verwandter und rief begeistert: »Meister Blut Schwelger! Welche Freude, Euch wiederzusehen!«
Dem alten Krieger fielen fast die Augen aus dem Kopf. Der immerhin nicht mehr junge Cuachic lief dunkelrot an, stieß mich rauh von sich und fuhr mich speichelsprühend an: »Laß mich los! Bei den steinernen Eiern des Huitzilopóchtli – hat dieses Heer sich gewandelt, seit ich das letztemal auf dem Schlachtfeld stand! Alte Tattergreise und verpickelte Grünschnäbel, und jetzt auch noch dies! Hebt man jetzt auch schon Cuilóntin aus? Um den Feind zu Tode zu küssen!«
»Ich bin es doch, Meister!« rief ich. »Feldhauptmann Xococ hat mir gesagt, ich soll mich bei Euch melden und mich Eurer Kompanie anschließen!« Es dauerte eine Weile, bis mir aufging, daß Blut Schwelger im Laufe seines Lebens Hunderte von Schuljungen ausgebildet haben mußte. Und bei ihm dauerte es eine Weile, in der Erinnerung zu suchen und mich in irgendeiner abgelegenen Ecke zu finden.
»Umnebelt! Selbstverständlich!« rief er aus, wiewohl nicht mit dem gleichen Maß an Freude, wie ich sie bekundet hatte. »Du in meiner Kompanie? Sind deine Augen denn geheilt? Kannst du jetzt sehen?«
»Nun, das nicht gerade«, mußte ich eingestehen.
Zornig zertrat er eine kleine Ameise. »Seit zehn Jahren mein erster aktiver Dienst«, brummte er, »und jetzt dies. Vielleicht wären da Cuilóntin noch vorzuziehen! Ach, was soll's. Umnebelt – schließ dich meinem Haufen an.«
»Jawohl, Meister Cuachic«, erklärte ich militärisch knapp. Dann spürte ich, wie jemand an meinem Umhang zupfte, und mir fiel Cozcatl ein, der mir die ganze Zeit über nicht von den Fersen gewichen war. »Und welche Befehle habt Ihr für den jungen Cozcatl?«
»Für wen?« sagte er und blickte verwirrt um sich. Erst als er den Blick senkte, bemerkte er den kleinen Jungen. »Für den Knirps da?« entfuhr es ihm dann zornig.
»Er ist mein Sklave«, erklärte ich. »Mein Leibdiener.«
»Ruhe im Glied!« brüllte Blut Schwelger sowohl mich als auch seine Krieger an, die angefangen hatten zu kichern. Der alte Cuachic stapfte ein paarmal im Kreis herum, um sich zu beruhigen. Dann trat er auf mich zu und reckte sein großes Gesicht vor mich hin. »Umnebelt, nur wenige Edelleute und Ritter können es sich leisten, einen Burschen zur Bedienung zu haben. Du bist ein Yaoquízqui, ein frisch ausgehobener Rekrut, bekleidest also den niedrigsten aller Ränge. Und jetzt meldest du dich nicht nur mit einem Diener, sondern es ist auch noch dieser Winzling hier!«
»Ich kann Cozcatl nicht zurücklassen«, erklärte ich. »Aber er wird bestimmt nicht stören. Könnt Ihr ihn nicht an einen der Priester oder irgendeinen anderen Mann von der Nachhut abkommandieren, wo er sich nützlich machen kann?«
Ein Knurren entfuhr Blut Schwelger. »Und ich dachte, ich wäre dieser Schule entkommen und könnte endlich wieder mal
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