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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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einen schönen, geruhsamen Krieg führen. Na schön. Knirps, du meldest dich dort bei dem schwarzgelben Wimpel. Sag dem Quartiermeister, Extli-Quani hätte dich zum Küchendienst bei ihm abkommandiert. Und jetzt, Umnebelt«, sagte er unversehens ganz sanft und einschmeichelnd, »sobald sich das große Heer der Mexíca zu deiner Zufriedenheit aufgestellt hat, wollen wir mal sehen, ob du dich noch an irgendwas erinnerst, was du in der Grundausbildung gelernt hast.« Ich und sämtliche anderen Krieger sprangen auf, als er plötzlich brüllte: »Hergelaufener Haufen! – IN VIERERREIHEN – AUFSTELLEN!«
    Im Haus der Leibesstärkung hatte ich gelernt, daß die Ausbildung zum Krieger etwas anderes ist als das, was wir bei unseren Kriegsspielen als Kinder gemacht hatten. Jetzt sollte ich erfahren, daß sowohl das Spielen als auch die Ausbildung wiederum nur blasse Abbilder der Wirklichkeit waren. Um nur eine von den Mißlichkeiten zu erwähnen, welche die Erzähler ruhmreicher Kriegsgeschichten immer mit Stillschweigen übergehen – überall herrschten Schmutz und Gestank. Nach dem Spiel oder nach der Ausbildung in der Schule hatte es für mich hinterher immer die Säuberung in einem heißen Bad gegeben, hatte ich alle Unannehmlichkeiten im Dampfbad herausschwitzen können. Hier jedoch gab es keine solchen Annehmlichkeiten. Am Ende eines Drilltages waren wir vollkommen verdreckt und blieben auch so und stanken. Nicht anders war das mit den offenen Gruben, die wir aushoben, um unsere Notdurft darein zu verrichten. Ich haßte meinen eigenen Geruch nach getrocknetem Schweiß und ungewaschenen Kleidern genauso wie ich die dazugehörigen Gerüche ungewaschener Füße und frischer Exkremente haßte. Unsauberkeit und Gestank waren für mich die unangenehmsten Seiten des Krieges. Jedenfalls damals, ehe ich den richtigen Krieg kennengelernt hatte.
    Und noch etwas. Wie oft habe ich alte Krieger klagen hören, daß sie sich – selbst außerhalb der Regenzeit – auf folgendes immer verlassen konnten: Tlaloc wird jede Schlacht und jedes Scharmützel aus lauter Bosheit noch schwieriger und elendiger machen dadurch, daß der Regen, den er schickt, einen bis auf die Haut durchnäßt und nasser Lehm sich in Klumpen an die Füße heftet. Nun, man kann sich vorstellen, wie es jetzt in der Regenzeit war während der paar Tage, da wir uns im Gebrauch unserer Waffen übten und die verschiedenen Manöver erprobten, die wir, wie zu erwarten stand, auf dem Schlachtfeld würden ausführen müssen. Es regnete immer noch, unsere Umhänge waren unendlich schwer, unsere Sandalen hinderliche Klumpen und unsere Stimmung gedrückt, als wir uns endlich aufmachten, gen Texcála zu marschieren.
    Die Stadt Texcála lag dreizehnmal Ein Langer Lauf im Südosten. Bei günstigem Wetter hätten wir diese Strecke in einem Gewaltmarsch von zwei Tagen zurücklegen können. Allerdings wären wir dann außer Atem und völlig ausgepumpt dort angekommen und hätten einem Feind gegenübergestanden, der nichts weiter zu tun gehabt hätte, als auf uns zu warten und sich dabei auszuruhen. In Anbetracht dieser Überlegungen befahl Nezahualpíli, daß wir den Marsch in größerer Gemächlichkeit zurücklegten und vier Tage dafür brauchten, auf daß wir vergleichsweise ausgeruht dort eintrafen.
    Die ersten zwei Tage trotteten wir genau in östlicher Richtung, damit wir nur die niedrigeren Hänge jenes vulkanischen Gebirgszuges zu überwinden hatten, welcher sich weiter im Süden zu den hohen Bergen auftürmte, die Tlaloctépetl, Ixtaccíuatl und Popocatépetl heißen. Dann bogen wir nach Südosten ab und marschierten geradenwegs auf die Stadt Tex-càla zu. Den ganzen Weg über war der Boden aufgeweicht und verschlammt; und auf dem nassen Felsgestein rutschten wir mehr als daß wir gingen. So weit war ich bis dato nicht in der Fremde gewesen, und gern hätte ich mir die Landschaft betrachtet. Doch selbst wenn mir das meines stark verminderten Sehvermögens wegen ohnehin nicht möglich war – die ständigen Regenschleier machten es vollends unmöglich. Auf diesem Marsch bekam ich kaum mehr zu sehen als die langsam und mühselig sich voranschleppenden, lehmverkrusteten Füße meiner Vordermänner.
    Unsere Kampfrüstungen behinderten uns allerdings nicht. Neben unserer gewöhnlichen Kleidung trugen wir ein Tlamäitl genanntes Gewand, das wir bei kaltem Wetter umlegten und in das wir uns des Nachts einrollten. Außerdem schleppte ein jeder von uns noch ein Säckchen Pinoli mit,

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