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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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und verbrannten sie, nicht, ohne jedem zuvor ein Stück Jade in die Hand oder in den Mund gesteckt zu haben.
    Ein paar Augenblicke standen Nezahualpíli und ich allein beisammen. Er sagte: »Du hast heute und hier eine Tat vollbracht, auf die du stolz sein kannst – der du dich aber gleichzeitig schämen müßtest. Du hast den einzigen Mann kampfunfähig gemacht, den wir unter unseren Gegnern auf diesem Schlachtfeld wirklich fürchten mußten. Und du hast einem edlen Ritter ein unedles Ende bereitet. Selbst wenn Bewaffneter Skorpion in die Gegenwelt der Helden eingeht, wird seine Glückseligkeit immer einen bitteren Beigeschmack haben. Denn alle seine Kameraden dort werden wissen, daß er auf lachhafte Weise von einem Grünschnabel, einem kurzsichtigen gemeinen Rekruten zu Fall gebracht worden ist.«
    »Hoher Gebieter, ich habe nur getan, was ich für richtig hielt.«
    »Wie du es auch zuvor getan«, sagte er und seufzte. »Und hinterläßt anderen einen bitteren Nachgeschmack. Nicht, daß ich dich tadeln will, Mixtli. Vor langer Zeit ist es geweissagt worden, es sei dein Tonáli, die Wahrheit über die Dinge dieser Welt zu erfahren und diese Wahrheit bekannt zu machen. Nur um eines möchte ich dich bitten.«
    Ich neigte den Kopf und sagte: »Mein Hoher Gebieter braucht einen Gemeinfreien um nichts zu bitten. Er befiehlt, und es wird ihm gehorcht.« »Um was ich dich bitte, läßt sich nicht befehlen. Ich flehe dich an, Mixtli, sei fürderhin klug, ja, mehr als vorsichtig im Umgang mit Recht und Wahrheit. Solche Dinge können genauso grausam verletzen wie eine Obsidianklinge. Und, genauso wie eine solche Klinge, kann sie auch den Mann treffen, der sie führt.«
    Mit einem Ruck kehrte er sich von mir ab, rief nach einem Schnellboten und trug ihm auf: »Lege den grünen Umhang an und flicht dein Haar, so daß es gute Nachricht verheißt. Nimm einen neuen sauberen Schild und Maquàhuitl. Lauf nach Tenochtítlan, und auf dem Weg zum Palast schwenke deinen Schild und dein Schwert in so vielen Gassen, wie du irgend kannst, auf daß das Volk frohlocke und dir Blumen auf den Weg streue. Laß Ahuítzotl wissen, daß er den Sieg und die Gefangenen hat, die er wollte.«
    Seine letzten Worte waren freilich nicht für den Boten, sondern nur für ihn selber bestimmt: »Auf daß Leben und Tod, ja, sogar der Name von Jadestein Puppe auf ewig vergessen sein mögen.«

    Nezahualpíli und seine Bewaffneten trennten sich von uns anderen, um denselben Weg zurückzumarschieren, den wir alle gekommen waren. Die Abteilungen der Mexíca und Tecpanéca samt meiner Person und einer endlosen Kolonne Gefangener hielten sich an den geradenwegs auf Tenochtítlan zuführenden kürzeren Weg, der genau nach Westen führte: über einen Paß zwischen den Gipfeln von Tlaloctépetl und Ixtacciuatl hindurch, und später am Südufer des Texcóco-Sees entlang. Wir kamen nur langsam voran, denn viele von den Verwundeten hinkten oder mußten sogar, wie Bewaffneter Skorpion, getragen werden. Aber mühselig war der Marsch nicht, denn zum einen hatte es endlich aufgehört zu regnen, so daß wir sonnige Tage und milde Nächte genossen; zum anderen ging es, nachdem wir den recht zerklüfteten Gebirgspaß hinter uns hatten, die flachen, an den See angrenzenden Salzpfannen entlang, das heiter ans Ufer schwappende Wasser zu unserer Rechten und Hänge mit dicht bewaldeten, wispernden Höhenzügen zu unserer Linken.
    Das überrascht euch, ehrwürdige Patres? Daß ich von Wäldern in so großer Nähe der Stadt spreche? Aber ja doch! Bis vor kurzer Zeit war das gesamte Hochtal von Mexíco üppig grün bewaldet: von uralten Zypressen, zahlreichen Eichenarten, kurz- und langnadeligen Fichten, süßem Lorbeer, Akazien und Mimosen. Ich kenne Eure Heimat Spanien nicht, meine Herren, und auch nicht Eure Provinz Castilien, aber es müssen öde und karge Landstriche sein. Ich sehe, wie Eure Waldarbeiter einen unserer Hügel kahlschlagen, um Nutz- und Brennholz zu gewinnen. Sie berauben ihn auch noch des letzten Grüns und der letzten Bäume, die viele Schock Jahre brauchten, um dort Xochimilco-See, welches von den einst ausgedehnten Ländereien der Culhua übriggeblieben ist. Durch die Stadt Ixtapaläpan marschierten wir in Reih und Glied, und als wir sie hinter uns hatten, sagte Blut Schwelger zu mir: »Es ist schon ziemlich lange her, daß du Tenochtítlan gesehen hast, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte ich. »Es müssen an die vierzehn Jahre sein.«
    »Dann wirst du es verändert

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