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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Federumhang –, doch darunter trug er die federbesetzte und gesteppte Kampfbekleidung eines Adlerritters, welche von Blutspritzern bedeckt war. Nezahualpíli hatte nicht nur einsam und unerreichbar auf seinem Feldherrenhügel gestanden und zugesehen, sondern eigenhändig in den Kampf eingegriffen. Xococ und Blut Schwelger blieben ehrerbietig ein paar Schritte hinter mir zurück, als Nezahualpíli mich mit erhobener Hand begrüßte.
    Ich ließ meinen Gefangenen sanft zu Boden gleiten, vollführte müde die Geste des Vorstellens und sagte mit meinem allerletzten Atem: »Hoher Gebieter, dies – dies ist mein – vielgeliebter Sohn!«
    »Und dies«, sagte der Ritter ironisch und zeigte auf mich, »dies ist mein verehrter Vater. Mixpantzínco, Verehrter Sprecher.«
    »Gut gemacht, junger Mixtli«, sagte mein höchster Vorgesetzter. »Ximopanólti, Jaguarritter Tlaui-Colotl.«
    »Ich begrüße Euch, alter Feind«, sagte mein Gefangener zu meinem Gebieter. »Es ist das erstemal, daß wir einander außerhalb des Kampfgetümmels begegnen.«
    »Und das letztemal, wie es scheint«, sagte der Uey-Tlatoáni und kniete sich freundschaftlich neben ihn. »Ein Jammer. Ihr werdet mir fehlen. Das waren doch Zweikämpfe, die wir ausgefochten haben, Ihr und ich. Wahrhaftig, ich hatte gehofft, noch jenen zu erleben, der nicht durch das Eingreifen unserer Untergebenen unentschieden geendet hätte.«
    Er stieß einen Seufzer aus. »Manchmal stimmt es nicht minder traurig, einen ebenbürtigen Gegner zu verlieren als einen guten Freund.«
    Mit wachsender Verwunderung war ich dieser Wechselrede gefolgt. Mir war überhaupt nicht in den Sinn gekommen, mir das federgewirkte Wappen auf dem Schild meines Gefangenen genauer zu betrachten: Tlaui-Colotl. Der Name – Bewaffneter Skorpion – sagte mir nichts, doch offenbar war der Ritter berühmt in der Welt der Krieger. Tlaui-Colotl war einer jener Ritter, von denen ich schon gesprochen habe: ein Mann von so hohem Ruf, daß dieser auf den Mann überging, der ihn schließlich besiegte.
    Bewaffneter Skorpion sagte zu Nezahualpíli: »Ich habe vier von Euren Rittern erschlagen, alter Feind, um mich aus Eurem verdammten Hinterhalt freizukämpfen. Zwei Adler, einen Jaguar und einen Pfeil. Hätte ich jedoch gewußt, was mein eigenes Tonáli für mich bereithielt« – bei diesen Worten warf er mir einen Blick belustigter Verachtung zu –, »ich hätte einem von ihnen gestattet, mich gefangenzunehmen.«
    »Ihr werdet noch gegen andere Ritter antreten, ehe Ihr sterbt«, tröstete der Verehrte Sprecher ihn. »Dafür werde ich sorgen. Jetzt wollen wir uns aber um Eure Wunden kümmern.« Damit drehte er sich um und rief einen Wundarzt herbei, der in der Nähe mit einem anderen Verwundeten beschäftigt war.
    »Nur einen Augenblick, Hoher Gebieter«, sagte der Wundarzt. Er war gerade über einen Acólhuatl-Krieger gebeugt, dem die Nase abgeschnitten worden war, die man glücklicherweise jedoch wiedergefunden hatte; sie war nur etwas zerquetscht und völlig verdreckt von den vielen Füßen, die darüber hingegangen waren. Der Wundarzt nähte sie wieder im Gesicht des Kriegers an, dabei einen Agavendorn als Nadel und eines seiner eigenen langen Haare als Faden benutzend. Die wiederangenähte Nase sah scheußlicher aus als die Wunde zuvor. Dann strich der Wundarzt in aller Eile gesalzten Honig über die Nase und kam zu meinem Gefangenen geeilt.
    »Lockere die Schlingen an den Beinen und binde sie los«, wies er einen Helfer an, und einem anderen befahl er: »Bring mir von dem Feuer dort drüben ein Becken mit glühenden Kohlen!« Langsam drang wieder mehr Blut aus den Stümpfen von Bewaffneter Skorpion und dann, als der Helfer mit einer flachen Schale mit weißglühenden Kohlen herbeigeeilt kam, von denen weißliche Flammen emporzüngelten, schoß es plötzlich wieder wie ein Pumpenstrahl hervor.
    »Wundarzt«, sagte Cozcatl in dem Bemühen zu helfen, »hier sind seine Füße.«
    Der Wundarzt stieß ein verzweifeltes Grunzen aus. »Schaff sie fort! Füße lassen sich nicht wieder annähen wie eine Nasenknolle.« Und zum Verwundeten sagte er: »Einen zur Zeit oder beide gleichzeitig?«
    »Wie Ihr meint«, erklärte Bewaffneter Skorpion gleichmütig. Er hatte bis jetzt nicht ein einziges Mal vor Schmerzen aufgeschrien oder auch nur leise gewimmert, und er tat es auch jetzt nicht, als der Wundarzt mit jeder Hand einen seiner Beinstümpfe packte und sie mit der Wunde in die glühenden Kohlen hineinstieß. Cozcatl

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