Der Azteke
drehte sich um und mied den Anblick. Das Blut zischte auf, und eine rosa Wolke stinkenden Dampfes stieg auf. Das Fleisch knisterte und ergab einen bläulichen Rauch, der nicht weniger magenumkehrend war. Bewaffneter Skorpion verfolgte das ganze Geschehen genauso gelassen wie der Wundarzt, der die nunmehr verkohlten und geschwärzten Stümpfe wieder aus der Glut herausholte.
Die Verbrennung hatte die durchtrennten Blutgefäße geschlossen, und es kam kein Blut mehr. Der Wundarzt verteilte reichlich Heilsalbe auf den Stümpfen: Bienenwachs, vermischt mit dem Gelben von Vogeleiern, dem Saft von Erlenrinde und Jalapa-Wunderblumenknolle. Dann richtete er sich auf und meldete: »Der Mann ist nicht mehr in Gefahr zu sterben, Hoher Gebieter; allerdings wird es etliche Tage dauern, bis er sich vom Blutverlust erholt hat.«
Nezahualpíli sagte: »Laß den Tragstuhl eines Edelmanns für ihn vorbereiten. Der erlauchte Bewaffnete Skorpion wird die Marschkolonne der Gefangenen anführen.« Dann wandte er sich Xococ zu, bedachte ihn mit eisigem Blick und sagte:
»Wir Acólhua haben heute viele der Unsrigen verloren, und noch mehr von ihnen werden sterben, ehe wir unsere Heimat Texcóco wiedersehen. Der Feind hat annähernd die gleiche Zahl verloren, doch die Zahl der Feinde, die lebend in unsere Hand gefallen sind, beträgt genausoviel wie die unserer Krieger, die mit dem Leben davongekommen sind. Sie geht in die Tausende. Euer Verehrter Sprecher Ahuítzotl kann zufrieden sein mit dem Werk, welches wir für ihn und seinen Gott getan haben. Wenn er und Chimalpopóca von Tlácopan echte Heere in voller Kampfstärke geschickt hätten, wir hätten vermutlich weiter vordringen und ganz Texcála unterwerfen können.« Er zuckte mit den Achseln. »Ach, lassen wir das. Wie viele Gefangene habt Ihr Mexíca gemacht?«
Ritter Xococ trat voller Unbehagen von einem Fuß auf den anderen, hüstelte, zeigte dann auf Bewaffneter Skorpion und erklärte leise: »Hoher Gebieter, Ihr seht den einzigen vor Euch. Vielleicht haben die Tecpanéca noch ein paar versprengte Krieger eingefangen, ich weiß es nicht. Aber von uns Mexíca« – er wies mit einer Bewegung auf mich – »hat nur dieser Yaoquízqui …«
»Der kein Yaoquízqui mehr ist, wie Ihr sehr wohl wißt«, erklärte Nezahualpíli beißend. »Er ist durch seinen ersten Gefangenen zum Rang eines Iyac aufgestiegen. Und dieser einzige Gefangene – nun, Ihr habt selbst gehört, wie er sagte, er habe heute vier Acólhua-Ritter getötet. Laßt Euch von mir gesagt sein: Bewaffneter Skorpion hat sich nie die Mühe gemacht, die Zahl seiner getöteten Gegner unter dem Rang eines Ritters auch nur zu zählen. Wir müssen jedoch annehmen, daß Hunderte von Acólhua, Mexíca und Tecpanéca im Laufe seines Lebens den Tod durch ihn gefunden haben.«
Blut Schwelger war dermaßen beeindruckt, daß er murmelte: »Umnebelt ist wahrhaftig ein Held.«
»Nein«, sagte ich. »Es war nicht eigentlich mein Schwerthieb, sondern vielmehr ein Glücksfall, und es wäre mir nie gelungen ohne Cozcatl und …«
»Aber es ist geschehen«, fiel Nezahualpíli mir in die Rede und brachte mich zum Schweigen. Zu Xococ gewandt, fuhr er dann fort: »Euer Verehrter Sprecher wird vermutlich den Wunsch haben, den jungen Mann mit etwas Höherem als dem Rang eines Iyac auszuzeichnen. In diesem Kampf hat einzig er den Ruf der Mexíca aufrecht erhalten, mutig zu sein und von sich aus etwas zu unternehmen. Ich schlage vor, daß Ihr ihn zu Ahuítzotl bringt, zusammen mit einem Brief, den ich schreiben werde.«
»Wie Ihr befehlt, Hoher Gebieter«, sagte Xococ, und küßte buchstäblich die Erde. »Wir sind sehr stolz auf unseren Umnebelt.«
»Dann ruft ihn bei einem anderen Namen! Aber jetzt ist genug gesäumt. Bringt Eure Truppe in Ordnung, Xococ. Ich teile Euch und sie den Feßlern und Garausmachern zu. Bewegt Euch schon.«
Xococ empfand das als einen Schlag ins Gesicht, was es schließlich auch war, doch setzten er und Blut Schwelger sich gehorsam in Trab. Wie ich zuvor berichtet habe, waren die Feßler diejenigen, welche den Gefangenen die Fesseln anlegten, sie bewachten und dafür sorgten, daß keiner von ihnen entkam. Die Garausmacher hingegen schwärmten über das gesamte Schlachtfeld und darüber hinaus, suchten diejenigen Verwundeten, denen keine Rettung mehr gebracht werden konnte, und gaben ihnen mit einem Dolchstoß den Tod. War das erledigt, trugen sie die Leichen von Verbündeten wie Feinden gleichermaßen zusammen
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