Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
jede erhabene Arbeit darunter verzichten könnte. Er nährte den Ehrgeiz, ein Maler von Bildern auf Tafeln und Wandgemälden zu werden.
    Wenn die Götter nichts dawider hatten, wollte ich mein Glück an dem Ort in Der Einen Welt versuchen, der zwar die größten Anforderungen und schwierigsten Herausforderungen stellte, gleichwohl aber auch die größten Belohnungen bereithielt – in der Hauptstadt des Uey-Tlatoáni selber, wo sich der Wettbewerb unter den ehrgeizigen jungen Männern am gnadenlosesten abspielte und Formen annahm, daß nur die Besten hoffen konnten, wirklich Großes zu erreichen und sich auszuzeichnen – in der strahlenden, der wunderbaren, der ehrfurchtgebietenden Stadt Tenochtítlan.

    Wenn ich auch noch nicht wußte, wie mein Beruf aussehen sollte, so wußte ich doch zumindest, wo ich ihn ausüben wollte, hatte das seit meinem ersten und einzigen Besuch dort gewußt, jenem Besuch, den mein Vater mir zu meinem siebten Geburtstag zum Geschenk gemacht hatte, dem Tag, an dem ich meinen Namen erhielt.
    Als dieses Ereignis herannahte, hatten meine Eltern mit mir im Schlepptau dem auf unserer Insel lebenden Tonalpóqui oder Kenner des Tonalmati, des traditionellen Namensgebungsbuchs, einen Besuch abgestattet. Nachdem er die gefalteten Seiten des Buches in ganzer Länge auseinandergenommen hatte – womit fast der gesamte Boden seines Zimmers ausgefüllt war –, vertiefte der alte Seher sich lange, und dabei stumm die Lippen bewegend, in jede einzelne Erwähnung der Sternkonstellationen und des göttlichen Wirkens, die mit dem Tag Sieben Blume und dem Mond des Aufsteigenden Gottes im Jahre Dreizehn Kaninchen in Beziehung standen. Dann nickte er, faltete das Buch ehrfurchtsvoll wieder zusammen, nahm seine Bezahlung entgegen – einen Ballen feines Baumwolltuch –, besprenkelte mich mit einem besonderen Weihwasser und erklärte, mein Name solle in Erinnerung an das Gewitter, das bei meiner Geburt getobt habe, fortan Chicóme-Xochitl Tlitéctic-Mixtli lauten. Was hieß, daß ich fürderhin streng genommen Sieben Blume Dunkle Wolke hieß, gemeinhin und weniger förmlich jedoch Mixtli gerufen wurde.
    Dieser Name gefiel mir nicht schlecht, denn immerhin klang er sehr männlich; was weniger Eindruck auf mich gemacht hatte, war die Art und Weise gewesen, wie er ausgewählt worden war. Selbst im zarten Alter von sieben Jahren hatte ich, Dunkle Wolke, bereits sehr eigene Vorstellungen. Laut erklärte ich, daß dies hätte jeder tun können, ja, ich selbst hätte es tun können, rascher und billiger dazu, woraufhin ich streng zum Schweigen ermahnt wurde.
    Im frühen Morgengrauen des bedeutungsvollen Geburtstages wurde ich zum Palast gebracht, wo der Herr Rot Reiher in höchsteigener Person uns freundlich und umständlich empfing. Er strich mir übers Haar und sagte väterlich-gütig: »Wieder ein Mann, der zum Ruhme Xaltócans herangewachsen ist, eh?« Eigenhändig trug er dann meine Namenszeichen – sieben Punkte, das dreiblütenblättrige Blumenzeichen und ein tongraues, baumwollbauschartiges Gebilde, das eine dunkle Wolke darstellen sollte – in das Tocayámatl, das offizielle Register aller Inselbewohner, ein. Meine Seite sollte darin bleiben, solange ich auf Xaltocan lebte, und nur vernichtet werden, wenn ich starb, eines ungeheuerlichen Verbrechens wegen verbannt wurde oder für immer irgendwoandershin zog. Ich frage mich: Wie lange mag Sieben Blume Dunkle Wolkes Seite inzwischen aus diesem Buch verschwunden sein?
    Für gewöhnlich wäre ein solcher Namensgebungstag durch manches andere gefeiert worden, wie zum Beispiel der meiner Schwester: sämtliche Nachbarn und unsere Verwandten wären mit Geschenken gekommen, meine Mutter hätte eine Fülle besonderer Leckereien gekocht, die Männer hätten Röhren mit Picietl geraucht und die alten Leute dem Octli zugesprochen, bis sie betrunken gewesen wären. Mir machte es jedoch nichts aus, daß ich auf all dies verzichten sollte, denn mein Vater hatte zu mir gesagt: »Heute geht eine Ladung Tempelfriese nach Tenochtítlan ab, und es ist noch Platz an Bord für dich und mich. Auch heißt es, ein großes Fest soll in der Hauptstadt gefeiert werden – zu Ehren einer neuen Eroberung oder Ähnlichem – und das soll dein Namensgebungsfest sein, Mixtli.« Daher folgte ich, kaum, daß meine Mutter und meine Schwester mir mit einem Kuß auf die Wange Glück gewünscht hatten, meinem Vater hinunter zur Schiffslände des Steinbruchs.
    Auf all unseren Seen herrschte ein

Weitere Kostenlose Bücher