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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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schmecken, weil sie das immer taten, und ich selbst griff gleichfalls tüchtig zu, weil ich dann weniger auf die Gewöhnlichkeit im Benehmen von Yquingare achtete und mich mehr auf etwas anderes an ihm konzentrieren konnte. Gleich beim Eintreten war mir aufgefallen, daß die Wachen Speere in Händen hielten, deren Spitzen in einem warmen Kupferton glänzten, freilich in einem merkwürdig dunklen Kupferton. Sodann war mir aufgefallen, daß sowohl der Uandákuari als auch sein Sohn kurze Dolche aus dem gleichen Metall trugen, die ihnen an langen Schlaufen von der Hüfte herunterhingen.
    Der alte Mann erging sich in einer weitschweifigen Rede an mich, die, wie ich argwöhnte, wohl darin enden würde, daß er mich fragte, ob ich ihm nicht auch noch ein zusammengewachsenes Paar Zwillings männer verschaffen könne, da fiel Zyanya – gleichsam, als könne sie einfach nicht mehr zuhören – ihm in die Rede und fragte: »Was ist das für ein köstliches Getränk?«
    Der Kronprinz schien entzückt von dieser Unterbrechung, lehnte sich über das Speisetuch hinüber und erklärte ihr, das sei Chápari, ein aus Bienenhonig hergestelltes Getränk, außerordentlich stark, daß es sich empfehle, beim ersten Versuch nicht allzu viel zu trinken. »Köstlich!« rief sie aus und leerte den Lackbecher. »Wenn Honig so berauschend wirken kann, warum sind die Bienen dann nicht ständig betrunken?« Sie hatte einen Schluckauf und saß nachdenklich da; offenbar war sie mit ihren Gedanken immer noch bei den Bienen, denn als der Uandákuari versuchte, sich noch weiter sabbernd nach Einzelheiten zu erkundigen, erklärte Zyanya laut: »Aber vielleicht sind sie das ja. Wer will das wissen?« woraufhin sie sich selbst und mir noch einen Becher vollschenkte und dabei ein wenig verschüttete.
    Der alte Mann seufzte, nuckelte noch ein letztes Mal an der speichelnassen Brust der Frau und versetzte ihr dann einen laut klatschenden Klaps, als Zeichen, daß die grauenhafte Mahlzeit beendet sei. Zyanya und ich tranken eilends noch unseren zweiten Becher Chápari aus. »Jetzt«, sagte Yquingare murmelnd, so daß Nase und Kinn etliche Male miteinander in Berührung kamen. Sein Sohn sprang auf, trat hinter ihn und half ihm auf die Füße.
    »Einen Augenblick, Hoher Gebieter«, sagte ich. »Laßt mich dem Damenpaar noch ein paar letzte Anweisungen geben.«
    »Anweisungen?« sagte er argwöhnisch.
    »Damit sie auch wirklich willfährig sind«, erklärte ich und kniff das Auge zusammen wie ein erfahrener Zuhälter. »Da sie noch Jungfrau sind, könnten sie sich abscheulich zieren.«
    »Ah?« entfuhr es ihm heiser, und er erwiderte mein Zwinkern. »Jungfrau auch noch? Willfährig, jawohl, um alles auf der Welt, willfährig sollen sie sein.«
    Zyanya und Tzimtzicha bedachten mich gleichermaßen mit einem verächtlichen Blick, als ich die Zwillinge beiseiteführte und ihnen Anweisungen erteilte – die dringenden Anweisungen, welche mir in diesem Augenblick erst eingefallen waren. Es war nicht einfach, und ich mußte sehr raschzüngig sprechen, dazu noch in ihrer Muttersprache Coatlicamac, und sie waren nun einmal schrecklich begriffsstutzig. Zuletzt nickten sie jedoch kurz und schienen einigermaßen begriffen zu haben, und mit einem ebenso hoffnungsvollen wie verzweifelten Achselzucken schob ich sie auf den Uandákuari zu.
    Ohne jede Widerrede folgten sie ihm die Treppe hinauf; halfen ihm sogar, emporzusteigen, was so aussah, als ob ein Krebs einer Küchenschabe half. Kurz bevor sie den umlaufenden Balkon erreichten, drehte die Schabe sich noch einmal um und rief dem Sohn etwas zu. Tzimtzicha nickte gehorsam und wandte sich dann wieder uns zu, um uns zu fragen, ob ich und meine Gemahlin bereit wären, uns zurückzuziehen. Sie antwortete nur mit einem neuerlichen Schluckauf, woraufhin ich erklärte, ja, das seien wir: es sei immerhin ein langer Tag gewesen. Wir folgten dem Kronprinzen die Treppe auf der anderen Seite des Empfangssaals hinauf.
    So kam es, daß Zyanya und ich in Tzintzuntzaní zum ersten- und einzigen Mal in unserer Ehe nicht allein schliefen. Allerdings bitte ich zu berücksichtigen, ehrwürdige Patres, daß wir von dem starken Chápari beide ein wenig betrunken waren. Doch wie dem auch sei, das ganze war nicht das, wonach es sich anhört; ich will mich bemühen, es zu erklären.
    Ehe wir aus Tenochtítlan abgereist waren, hatte ich versucht, Zyanya klarzumachen, daß die Purémpecha eine besondere Vorliebe für ausgefallene, ausschweifende, ja,

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