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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Göttin der Teiche, Flüsse und anderer Gewässer geweiht werden, der froschgesichtigen Chalchihuítlicué – Die Mit Dem Edelsteinhüfttuch –, welche nicht so ausschließlich auf Menschenopfer erpicht war wie manche unserer anderen Götter. Infolgedessen sollten nur so viele Opfer dargebracht werden, wie unbedingt notwendig waren. Am ferneren Ende oder vielmehr am Anfang des Aquädukts, bei der Quelle und von uns aus nicht zu sehen, hatte sich eine andere Abordnung von Adligen und Priestern sowie eine Anzahl von Kriegern versammelt, die eine Reihe von Gefangenen bewachte. Da wir Mexíca in letzter Zeit zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen waren, um irgendwelche Blumenkriege zu führen, handelte es sich bei der Mehrzahl dieser Gefangenen um gewöhnliche Räuber, die der jüngere Motecuzóma auf seinen verschiedenen Hin- und Hermärschen aufgegriffen und für eben solche Zwecke nach Tenochtítlan geschickt hatte.
    Auf dem Damm, dort wo Ahuítzotl stand – zusammen mit mir und Hunderten anderer, die wir uns alle bemühten, unseren Federschmuck und die Federnwimpel daran zu hindern, vom Ostwind davongetragen zu werden – wurden Gebete gesprochen und Beschwörungen gesungen, in deren Verlauf die niederen Priester eine gewisse Menge von lebendigen Fröschen und Axolóltin und anderem Wassergetier hinunterschluckten, um Chalchihuítlicué eine Freude zu machen. Sodann wurde in einer Urne ein Feuer entzündet und irgendeine, nur den Priestern bekannte Substanz hineingestreut, damit mächtige bläuliche Rauchwolken aufstiegen. Wiewohl die Windstöße über sie herfielen, stieg die Rauchsäule doch rasch hoch genug, um der anderen an der Zeremonie beteiligten Gruppe am Quell von Coyohuácan ein Zeichen zu geben.
    Dort warfen die Priester den ersten Gefangenen in die Wasserrinne, schlitzten ihm vom Schritt bis zum Hals den Leib auf, ließen den Leichnam darin liegen, und sein Blut floß heraus. Ein weiterer Gefangener wurde hineingeworfen und das gleiche mit ihm gemacht. Sobald die Leichen der früher Geopferten nicht mehr bluteten, wurden sie herausgerissen, um mehr und frisch Getötete darin aufzuhäufen. Ich weiß nicht, wie viele Xochimique getötet wurden, um sie ausbluten zu lassen, ehe das erste Blut zähflüssig so weit heruntergeronnen kam, daß Ahuítzotl und die Priester seiner ansichtig wurden und einen dankbaren Lobruf erschallen ließen. Eine weitere Substanz wurde auf das Urnenfeuer gestreut, woraufhin eine rote Rauchwolke aufstieg: das Zeichen für die Priester an der Quelle, mit ihrer Schlächterei aufzuhören.
    Es war der Augenblick gekommen, da Ahuítzotl das wichtigste Opfer darbringen sollte, und man hatte ihm zu diesem Zweck etwas Einzigartiges zur Verfügung gestellt: ein etwa vier Jahre altes kleines Mädchen, gekleidet in ein wasserblaues, über und über mit grünen und blauen Edelsteinen besetztes Gewand. Sie war die Tochter eines Vogelstellers, welcher ertrunken war, als sein Acáli einige Zeit vor ihrer Geburt gekentert war, woraufhin sie mit einem Gesicht auf die Welt gekommen war, das dem eines Frosches – oder der Göttin Chalchihuítlicué – schon verblüffend ähnlich sah. Die verwitwete Mutter des Mädchens hatte dieses Zusammentreffen von Ereignissen, die alle mit dem Wasser in Verbindung standen, als Zeichen der Göttin genommen und ihre Tochter freiwillig für die Zeremonie zur Verfügung gestellt.
    Unter viel Gesinge und Gekrächz der Priester hob der Verehrte Sprecher das kleine Mädchen in die Rinne. Andere Priester nahmen neben dem Urnenfeuer Aufstellung. Ahuítzotl drückte das Kind mit dem Rücken auf den Boden und griff nach dem Obsidianmesser an seiner Hüfte. Der Rauch des Urnenfeuers wurde grün – wieder ein Zeichen –, und die Priester auf dem Festland ließen das Wasser des Quells in den Aquädukt einfließen.
    Das Wasser zuerst war rotgefärbt, aber kam nicht dickflüssig heruntergesickert wie zuvor das Blut. Mit der ganzen Wucht seines langen Wegs vom Festland kam es wie ein gewaltiger flüssiger Speer mit rotzüngelnder Spitze herangerauscht. Dort, wo das Wasser beim Damm im rechten Winkel abbiegen mußte, tat es das nicht zur Gänze; ein Teil stieg steil in die Höhe und schwappte über die Brüstung der Dammstraße wie ein Brecher am Meer. Dennoch floß genügend weiter um die Biegung herum und überraschte Ahuítzotl. Er hatte dem Kind gerade die Brust aufgeschlitzt und sein Herz gepackt, jedoch nicht mehr Zeit genug, die Hauptschlagadern zu

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