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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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den schweren Steinen und dem festen Mörtel der Wasserrinne. Zwei oder drei Ritter schlugen mit ihren Maquahuime dagegen, und wir anderen duckten uns, um den umherfliegenden Obsidiansplittern zu entgehen. Voller Abscheu blickten diese Ritter auf ihre ruinierten Schwerter und warfen sie dann in den See.
    Dann ging einer der älteren Ritter ein Stück den Damm hinunter, um über die Brüstung zu spähen. Er rief uns zu: »Wie viele von euch können schwimmen?«, woraufhin die meisten von uns die Hand hoben. Er zeigte auf eine bestimmte Stelle und erklärte: »Dort hinten, wo der Aquädukt abbiegt, läßt die Gewalt des Wassers die Pfeiler erzittern. Wenn wir sie mit unseren Maquahuime bearbeiten, können wir sie vielleicht so weit schwächen, daß das Gerüst zusammenbricht.«
    Und genau das taten wir. Ich und acht weitere Ritter zogen mühselig unsere feuchten und völlig verschmutzten Kampfanzüge aus und tauchten dann über die Brüstung hinweg in die Fluten auf der anderen Seite. Wie ich schon gesagt habe, war das Wasser westlich des Damms damals nirgends besonders tief. Hätten wir schwimmen müssen, wäre es unmöglich gewesen, den Pfeilern mit unseren Waffen etwas anzuhaben, doch noch reichte das steigende Wasser uns an jener Stelle erst bis zur Schulter. Trotzdem war es kein Kinderspiel. Diese als Pfeiler dienenden Stämme waren mit Chapopótli getränkt worden, um der Verwesung entgegenzuwirken, doch waren sie dadurch auch widerstandsfähig gegen unsere Klingen geworden. Die Nacht war gekommen und vergangen, und die Sonne war bereits wieder aufgegangen, als ein Ruck durch einen der dicken Pfeiler ging und es ohrenbetäubend krachte. Ich stand in diesem Augenblick unter Wasser, und die Erschütterung hätte mich nahezu gelähmt, doch als ich wieder an die Oberfläche kam, hörte ich einen meiner Ritterkameraden uns allen zurufen, wir sollten zurückkommen auf den Damm.
    Wir schafften es gerade noch rechtzeitig. Jener Teil des Aquädukts, welcher vom Damm abbog, wankte heftig. Mit einem knirschenden Geräusch riß er an der Biegung auseinander. Wasser spritzte in alle Richtungen, und das lockere Ende des Bauwerks schüttelte sich wie der warnende Schwanz einer Coacuéchtli-Schlange. Dann legte sich ein etwa zehn Schritt langes Stück auf die Seite, und die Pfeiler, an denen wir herumgehackt hatten, gaben unter ihnen nach; die Rinne brach knarrend los und kippte hochaufspritzend ins Wasser. Zwar schoß immer noch Wasser in mächtigem Schwall aus dem zerfetzten Ende des Aquädukts hinein in den See, aber jedenfalls nicht mehr hinein nach Tenochtítlan. Noch während wir dastanden, fing das Wasser auf dem Damm bereits merklich an zu sinken.
    »Kehren wir nach Hause zurück«, sagte aufseufzend einer meiner Ritterkameraden. »Hoffentlich sind ein paar Häuser übrig, die wir Zuhause nennen können.«
    Zuhause. Laßt mich den Bericht über meine Heimkehr nach Hause noch ein wenig aufschieben.
    Das Wasser, welches den größten Teil eines Tages und eine ganze Nacht hindurch nach Tenochtítlan hineingeleitet worden war, hatte Teile der Stadt übermannshoch überschwemmt. Viele tief und nicht aus Stein gebaute Häuser waren in der Flut zusammengebrochen; selbst einige auf Pfeilern errichtete Häuser waren von ihren Stützen heruntergestürzt; viele Menschen waren verletzt worden, und rund zwanzig – Kinder zumeist – waren ertrunken oder zermalmt worden oder auf andere Weise umgekommen. Gleichwohl hatten sich der Schaden und die Todesfälle auf jene Teile der Stadt beschränkt, wo die Verteilerkanäle und Wasserspeicher übergeflossen waren, und dieses Wasser war dann bald, nachdem wir Adlerritter den Aquädukt unterbrochen hatten, durch die Kanäle abgeflossen.
    Doch noch ehe die Folgen dieser kleineren Überschwemmung hatten beseitigt werden können, war es zu einer zweiten und wesentlich größeren Überschwemmung gekommen. Wir hatten den Aquädukt zwar unterbrochen, doch dem Wasser hatten wir keinen Einhalt geboten, und den anderen Rittern, die Ahuítzotl aufs Festland hinübergeschickt hatte, war es nicht gelungen, den Quell dort zum Versiegen zu bringen. Infolgedessen rauschten die Wassermassen weiter in den von den Dammstraßen im Westen und im Osten eingefaßten Teil des Sees herein. Der Wind wehte weiterhin aus dem Osten und hinderte die Fluten daran, durch die überbrückten Lücken in den Dämmen und durch die Kanäle, deren Netz unsere Stadt durchzog, in den großen Texcóco-See abzufließen. Infolgedessen

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