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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Damm zwei aus ihren Reihen getötet hatte, weigerten sich diese alten Männer – zweifellos aus einem Gefühl der Rache heraus –, den naheliegendsten Kandidaten, seinen ältesten Sohn Cuautémoc, auch nur in Erwägung zu ziehen. Sie erwählten zum Regenten seinen Neffen Motecuzóma den Jüngeren, weil, wie sie verkündeten, »Motecuzóma Xocóyotzin seine Fähigkeiten nacheinander sowohl als Priester, Heerführer und Kolonialverwalter unter Beweis gestellt hat. Und da er so weit im Lande herumgekommen ist, kennt er auch die fernstgelegenen Gebiete der Mexíca aus erster Hand«.
    Ich erinnerte mich an die Worte, welche Ahuítzotl einst mit Donnerstimme zu mir gesagt hatte: »Wir werden keine hohle Trommel auf diesen Thron setzen!« und fand, es sei wohl ebensogut, daß er nicht mehr bei Verstand war, als eben dieses doch geschah. Wäre Ahuítzotl gleich umgekommen und bei klarem Verstand gestorben, er wäre aus dem tiefsten Schlund der Mictlan herausgekrochen gekommen und hätte lieber seinem eigenen Leichnam auf den Thron geholfen statt Motecuzóma. Wie es sich herausstellte, wäre ein toter Herrscher für die Mexíca womöglich besser gewesen als dieser. Ein Leichnam bleibt zumindest so sitzen, wie man ihn einmal hingesetzt hat.
    Doch damals interessierte ich mich in gar keiner Weise für die Ränke am Hofe; ich bereitete mich vielmehr darauf vor, selber für eine Zeitlang abzutreten, und das aus mehreren Gründen. Zunächst einmal war mein Zuhause für mich zu einem Ort schmerzlicher Erinnerungen geworden, denen ich zu entkommen trachtete. Es versetzte mir sogar einen Stich, auch nur meine liebe Tochter anzublicken, weil ich in ihrem Gesicht soviel von Zyanya sah. Außerdem glaubte ich eine Möglichkeit gefunden zu haben, Cocóton den Verlust ihrer Mutter nicht allzu deutlich fühlen zu lassen. Und darüber hinaus gaben mein Freund Cozcatl und seine Frau Quequel-miqui, als sie kamen, mich mit ihrem Beileid zu trösten, zu erkennen, sie hätten nun kein Dach mehr überm Kopf, da ihr Haus zu denen gehöre, welche durch die Überschwemmung zum Einsturz gebracht worden seien.
    »Das bedrückt uns allerdings weniger, als man meinen möchte«, sagte Cozcatl. »Ehrlich gesagt, fühlten wir uns darin recht beengt und unbehaglich, da unsere Wohnung und unsere Dienerschule unter einem Dach vereinigt waren. Wo wir schon einmal gezwungen sind, neu zu bauen, werden wir zwei getrennte Häuser errichten.«
    »Und bis dahin«, erklärte ich, »soll dieses hier euer Zuhause sein. Ihr werdet beide hier leben. Ich gehe ohnehin fort, und so stehen Haus und Dienerschaft euch zur Verfügung. Dafür bitte ich euch nur um einen Gefallen. Würdet ihr beide Cocóton Vater und Mutter ersetzen, solange ich fort bin? Könntet ihr Teñe und Tete für ein armes Waisenkind spielen?«
    Kitzlig sagte: »Ayyo, was für eine wunderbare Vorstellung!«
    Cozcatl sagte: »Das wollen wir nicht nur gern, sondern dankbar tun. Dann werden wir jedenfalls einmal eine Zeitlang eine richtige Familie sein.«
    Ich sagte: »Das Kind macht keinerlei Schwierigkeiten. Die Sklavin Türkis kümmert sich um ihre alltäglichen Bedürfnisse. Ihr braucht nichts weiter zu geben als die Geborgenheit, welche euer Dasein gibt … und ihr hin und wieder eure Liebe zu zeigen.«
    »Selbstverständlich werden wir das tun!« rief Kitzlig aus, und die Tränen traten ihr in die Augen.
    Ich fuhr fort: »Ich habe Cocóton bereits erklärt, warum ihre Mutter in den letzten Tagen nicht hier war – das heißt: ich habe ihr etwas vorgelogen. Ich habe gesagt, ihre Teñe sei unterwegs, auf den Märkten etliches einzukaufen, was wir für eine längere Reise benötigten, welche wir unternehmen müßten. Das Kind hat nur genickt und gesagt: ›Lange Reise‹, doch das sagt ihr in ihrem Alter nicht viel. Wenn ihr Cocóton jedoch immer wieder daran erinnert, daß ihre Teñe und ihr Tete in ferne Länder reisten – nun, ich hoffe, sie wird sich bei meiner Rückkehr daran gewohnt haben, keine Mutter zu haben, so daß sie nicht allzu tief getroffen ist wenn ich ihr sage, daß ihre Teñe nicht mit mir zurückgekommen ist.«
    »Aber sie wird sich doch auch daran gewöhnen, ohne dich zu sein«, warnte Cozcatl.
    »Ja, das wird sie wohl«, sagte ich verzagt. »Ich kann eben nur hoffen, daß, wenn ich zurückkehre, wir beide wieder neu Bekanntschaft mit einander schließen. Wenn ich jedoch wüßte, daß in der Zwischenzeit gut für Cocóton gesorgt ist, daß man sie liebt …«
    »Das wird sie!«

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