Der Azteke
alleruntertänigsten Gruß.
Es zeugt von der allbekannten Einfühlsamkeit Unseres Verständnisvollen Souveräns, daß Ihr Mitleid habt mit Euer Majestät Beschützer der Indianer und daß Ihr um weitere Einzelheiten über die Probleme und Schwierigkeiten bittet, denen wir uns in selbigem Amt täglich gegenübersehen.
Bis dato, Sire, war es üblich unter den Spaniern, welchen in diesen Provinzen Ländereien übereignet wurden, gleichzeitig auch die vielen Indianer, so auf diesen Ländereien lebten, mit zu übernehmen und sie auf der Wange mit einem »G« für guerra – Krieg – zu brandmarken, sie also zu Kriegsgefangenen zu erklären, sie als solche grausam zu behandeln und auszubeuten. Selbiger Mißstand hat sich zumindest insofern verbessert, als ein Indianer heute nicht mehr zu Sklavenarbeit verurteilt werden kann, es sei denn, er wäre zuvor entweder von einem weltlichen oder einem geistlichen Gericht eines Verbrechens für schuldig befunden.
Des weiteren findet jetzt auch das Gesetz unseres Mutterlandes Spanien Anwendung, demzufolge ein Indianer allhier wie ein Jude anderorten dieselben Rechte genießt wie jeder christliche Spanier und keines Verbrechens wegen verurteilt werden kann ohne gültigen Prozeß, bestehend aus Anklage, Verhandlung und Verurteilung. Doch selbstverständlich kann der Zeugenaussage eines Indianers – wie der eines Juden, auch nicht der eines zum Christentum übergetretenen – nicht das gleiche Gewicht zuerkannt werden wie der eines Menschen, der von Geburt an Christ ist. Wünscht infolgedessen ein Spanier irgendeinen kräftigen roten Mann oder ein stattliches rotes Weib als Sklaven zu erwerben, braucht er nichts weiter zu tun, als gegen diesen Indianer irgendeine Anklage vorzubringen, die ihm einfällt.
Da wir sahen, daß die Indianer in vielen Fällen aufgrund von Anklagen verurteilt wurden, die bestenfalls fragwürdig waren, und da wir um die Seelen unserer Landsleute fürchteten, welche sich ganz offensichtlich auf unredliche Weise bereicherten und ihre Ländereien vergrößerten, wie es Christenmenschen nicht ansteht, befiel uns Traurigkeit und fühlten wir uns gezwungen zu handeln. Wir haben den ganzen Einfluß unseres Titels Beschützer der Indianer geltend gemacht, um bei den Richtern der Audiencia durchzusetzen, daß alle fürderhin zu brandmarkenden Indianer in unserem Amte registriert werden müssen. Deshalb werden die Brandeisen jetzt auch in einer Kiste unter Verschluß gehalten, welche mit zwei Schlüsseln verschlossen ist, von denen einer sich in unserem Besitz befindet.
Da also kein verurteilter Indianer ohne unsere Beihilfe gebrandmarkt werden kann, haben wir uns hartnäckig geweigert, in solchen Fällen unsere Zustimmung zu geben, welche offenkundig als Mißbrauch der Justiz anzusehen sind; und bei solchen Indianern auf Strafaussetzung gedrungen. Daß wir unser Amt als Beschützer der Indianer auf diese Weise ausüben, hat uns bei vielen unserer Landsleute in Verruf gebracht, doch das ertragen wir mit Gleichmut, wissen wir doch, daß wir letzten Endes zum Wohle aller handeln. Freilich könnte das wirtschaftliche Wohlergehen Neuspaniens leiden (und der der Krone zustehende Fünfte geschmälert werden), wenn wir uns der Rekrutierung von Arbeitssklaven, auf welcher der Reichtum dieser Kolonien beruht, allzu hartnäckig widersetzen. Infolgedessen wendet ein Spanier, welcher einen Indianer als Leibeigenen zu erwerben wünscht, sich nicht mehr an die weltliche Gerichtsbarkeit, sondern klagt besagten Indianer an, ein bekehrter Christ zu sein, welcher sich irgendeinen lapsus fidei hat zuschulden kommen lassen. Da unser Amt als Verteidiger des Glaubens Vorrang hat vor allen anderen Ämtern und Aufgaben, geben wir in diesen Fällen der Brandmarkung statt.
Auf diese Weise gelingen uns drei Dinge, von denen wir annehmen, daß sie in Eurer Majestät Augen Gnade finden. Primus verhindern wir auf wirksame Weise den Mißbrauch der weltlichen Gerichtsbarkeit. Secundus handeln wir ganz im Einklang mit den Lehren der Kirche, was im Glauben gestrauchelte Neu-Christen betrifft. Und tertius behindern wir nicht die Bereitstellung eines stetigen und nötigen Nachschubs von Arbeitskräften.
Übrigens, Euer Majestät: das Brandzeichen auf der Wange eines Verurteilten ist nicht mehr das erniedrigende »G«, welches auch auf eine unehrenhafte Niederlage im Kampf hinweist. Heute besteht es aus den Initialen des künftigen Eigentümers (es sei denn, bei der Verurteilten handelt es sich um
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