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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Der seichte Fluß hatte dem weiteren Sichfortwälzen der Lava keinen Einhalt gebieten können, doch wußte ich, daß die unerschöpfliche Wassermenge des Meeres ihn zum Stillstand bringen würde. Wie die beiden aufeinanderstießen, das, meinte ich, müsse ein sehenswertes Schauspiel sein.
    Dazu kam es freilich erst am nächsten Tag. Mittlerweile hatte ich mein Reisebündel im Kanu verstaut, war über die Brandungsbrecher hinausgerudert und saß nun mitten auf der Bucht. Durch meinen Topas konnte ich sehen, wie die bösartig schwelende Lava sich ausbreitete, sich über den Strand wälzte und sich auf breiter Front auf den Ufersaum zubewegte. Vom Landesinneren war nicht viel zu sehen, höchstens, daß ich – durch den alles verdunkelnden Rauch und die hernieder rieselnde Asche – den rötlichen Feuerschein und gelegentlich ein helleres gelbes Aufblinken erkennen konnte, wenn Tzebóruko sich erbrach und das Innere der Mictlan ausspie.
    Dann schien die glühendrot wabernde Lavamasse auf dem Strand zu zögern und Kraft zu sammeln, ehe sie – statt langsam weiter voran zu kriechen – den Ozean unversehens wütend ansprang. An den vorangegangenen Tagen weiter oben am Fluß hatte es, wenn glühendes Gestein und kaltes Wasser aufeinandergetroffen waren, fast so etwas wie einen menschlichen Schrei gegeben, ein zischendes Keuchen. Hier am Meer jedoch klang es wie das donnernde Aufbrüllen eines unvermutet verwundeten Gottes – wie der Aufschrei eines entsetzten Gottes, der vor Wut wie von Sinnen war. Es war ein Aufruhr, welcher sich aus zwei Lauten zusammensetzte: dem, der entsteht, wenn ein Meer so plötzlich zum Sieden gebracht wird, daß das Wasser aufwallt, und der Dampf aufzischt – und dem, der entsteht, wenn glühende Lava von einem Augenblick zum anderen dermaßen abkühlt und erstarrt, daß sie am Rande ihres Vordringens überall in kleine Teile auseinanderprasselt. Der Dampf stieg auf wie eine Wolkenklippe, heißer Gischt prasselte auf mich hernieder, und mein Acáli riß es so unversehens zurück, daß ich um ein Haar über Bord geflogen wäre. Ich klammerte mich an der hölzernen Bordwand fest, und ließ dabei mein Ruder ins Wasser fallen.
    Das Kanu rutschte weiter nach hinten, als das Meer vor dem plötzlich unfreundlichen Land zurückfuhr wie ein gebranntes Kind. Dann erholte das Meer sich von seiner Überraschung, wie es schien, und rauschte wieder mächtig auf das Land zu. Doch der geschmolzene Fels war immer noch auf dem Vormarsch; das Gedonner ging ununterbrochen weiter, und die Dampfwolken stiegen weiter in die Höhe, hinein in den Himmel, wohin die Wolken gehören. Die gesamte Wassermasse der ausgedehnten Bucht rauschte seewärts und dann wieder zurück aufs Land zu, und das so oft, daß ich mit dem Zählen nicht mehr mitkam, denn ich wußte nicht mehr, wo mir der Kopf stand, so sehr wurde mein Einbaum geschüttelt und durchgerüttelt. Immerhin merkte ich, daß ich bei jedem Zurücklaufen des Wassers weiter vom Ufer fortgetragen wurde, als das darauffolgende Anbranden mich auf die Küste zutrug. Im strudelnden Wasser um mein hüpfendes und bockendes Kanu herum trieben, zumeist mit dem Bauch nach oben, Fische und anderes Seegetier.
    Den ganzen Rest des Tages über, während das Zwielicht immer dunkler wurde, trieb mein Acáli weiter ab: eine Welle auf den Strand zu, drei Wellen auf das offene Meer zu. Im letzten schwindenden Tageslicht erkannte ich, daß ich genau in der Mitte zwischen den beiden Landzungen trieb, welche die Einfahrt zur Bucht bildeten, freilich zu weit von beiden entfernt, als daß ich mich schwimmend hätte in Sicherheit bringen können; und dahinter, jenseits der Öffnung, dehnte sich das unendliche, leere Meer. Mir waren die Hände gebunden, und es gab nur zwei Dinge, die ich tun konnte. Ich lehnte mich aus dem Kanu hinaus, fischte jeden toten Fisch heraus, den ich zu fassen bekam, und häufte sie am Ende meines Bootes auf dem Boden auf. Dann bettete ich den Kopf auf diesen feuchten kleinen Haufen und schlief ein.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, wollte es mir so vorkommen, als hätte ich diesen ganzen Aufruhr nur geträumt, doch trieb ich immer noch in meinem Kanu, und die Küste war so weit entfernt, daß nur noch die gezackten Umrisse blaß blauer Berge zu sehen waren. Als die Sonne strahlend an einem klaren Himmel aufstieg, war von einer Rauch- und Aschendecke nichts mehr zu sehen und zwischen den fernen Bergen kein feuerspeiender Tzebóruko mehr zu erkennen. Das Meer lag

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