Der Azteke
soviel heißt wie »Wutschnaubend«, nur tat er freilich mehr als nur das: Er brüllte vor Zorn, und es klang, als dringe das Kriegsgetöse aus dem Mictlan nach oben. Grauschwarze Wolken entquollen ihm, dazwischen zirkonfarbene Flammenblitze, stiegen hoch bis zum Himmel auf und hatten das seit vielen, vielen Tagen getan, so daß dieser Himmel ganz schmutzig war und ganz Nauyar Ixú tagelang im Zwielicht dalag. Von dieser Wolke rieselte ständig warme, beizende Asche hernieder. Aus dem Krater drang unablässig das zornige Grollen der Vulkangöttin Chántico heraus, schossen Massen feurig glühender Lava empor und etwas, was sich aus der Ferne zwar ausnahm, als wären es kleine Steine, welche in die Höhe und herausgeschleudert wurden; dabei waren es selbstverständlich gewaltige Felsbrocken, die durch die Luft flogen.
Der Tzebóruko ragt am Ende eines Flußtals in die Höhe, und so war es nur verständlich, daß der Lavastrom sich am ungehindertsten dieses Flußbett entlang wälzte. Das Wasser war jedoch zu seicht, um den geschmolzenen Fels abzukühlen und erstarren zu lassen; das Wasser schrie einfach auf und kochte, wenn die Elemente zusammentrafen, und verdampfte unter diesem Ansturm. Jede der nacheinander folgenden Wogen glühender Lava, welche der Berg ausspie, lief die Berghänge und das Tal hinunter, verlangsamte dann ihre Geschwindigkeit und rückte in dem Maß, wie sie abkühlte und schwarz wurde, nur im Schneckentempo weiter. Die verhärtete Oberfläche bot jedoch der nachfolgenden Masse nur eine um so glattere Rutschbahn, floß wieder ein Stück weiter und erstarrte erst dann endgültig. Als ich dort anlangte, um mir das Schauspiel anzusehen, war der geschmolzene Fels gleich einer langen roten Zunge ein weites Stück den sich zurückziehenden Fluß hinuntergelaufen. Die Hitze des verflüssigten Felsens und des zischenden Dampfes war dermaßen stark, daß ich an keiner Stelle nahe an den Berg herankommen konnte. Kein Mensch konnte das, und keiner (außer mir) wollte das. Die meisten Menschen, welche in dieser Gegend lebten, packten bedrückt ihre Sachen und suchten das Weite. Man erzählte mir, Ausbrüche in der Vergangenheit hätten das gesamte Flußtal bis hinunter ans Meer verwüstet, das vielleicht zwanzigmal Ein Langer Lauf von hier entfernt sei.
Genau das geschah bei diesem Ausbruch auch wieder. Ich habe versucht, die wütende Gewalt deutlich zu machen, mit der er sich vollzog, ehrwürdige Patres, und ich habe das getan, damit ihr mir glaubt, wenn ich euch sage, daß er mich zuletzt vom Rand Der Einen Welt hinausschleuderte und hinein in das Unbekannte.
Da ich nichts weiter vorhatte, brachte ich einige Tage damit zu, einfach neben dem Lavafluß einherzugehen – zumindest so nahe daneben, wie mir das bei der sengenden Hitze und den giftigen Dämpfen, die davon aufstiegen, überhaupt möglich war –, während dieser unversöhnlich weiter brodelnd das Flußwasser zum Sieden brachte und das Flußbett von einem Ufer bis zum anderen ausfüllte. Die Lava wälzte sich weiter wie eine Schlammwoge, ungefähr so schnell wie ein gemächlich ausschreitender Mann geht, und wenn ich abends auf höhergelegenem Gelände mein Lager aufschlug, von meinen Vorräten aß und mich in meine Decke rollte oder zwischen zwei Bäumen meine Gishe aufspannte, erwachte ich am nächsten Morgen und mußte feststellen, daß der weiterfließende Felsen mir weit vorausgeeilt war und ich mich beeilen mußte, wenn ich die Spitze wieder einholen wollte. Wiewohl der Tzebóruko-Berg hinter mir immer kleiner wurde, fuhr er doch fort, unentwegt Lava zu speien, und ich ging neben dem Ausfluß einher, bloß um zu sehen, wie weit die Lava noch fließen würde. Nach ein paar Tagen erreichten wir beide das Meer – der Lavastrom und ich.
An der Mündung verengt sich das Flußtal zwischen zwei Hochebenen und ergießt sich in eine lange, tiefe, halbmondförmige Bucht, deren Strande ein großes Becken türkisgrünen Wassers umgreifen. Am Strand stand eine Siedlung aus Schilfhütten, doch Menschen waren nirgends zu sehen; ganz offensichtlich hatten die Fischer, die hier wohnten, genauso das Weite gesucht wie die weiter im Inland wohnenden Menschen; aus irgendeinem Grunde hatten sie jedoch ein kleines, seegängiges Acáli zurückgelassen, welches samt Rudern auf den Strand gezogen dalag. Dieses ließ in mir den Wunsch entstehen, hinauszurudern auf die Bucht und aus sicherer Entfernung zuzusehen, wie der kochende Fels mit dem Meer zusammenstieß.
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