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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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so ruhig da wie der See von Xaltócan an einem stillen Sommertag. Ich hielt den Topas in die Höhe, faßte den Horizont mit dem Land ins Auge und versuchte, mir die Umrisse ins Gedächtnis zu prägen. Dann schloß ich die Augen eine kurze Weile, ehe ich sie wieder aufmachte, um festzustellen, ob mit dem, was ich in der Erinnerung hatte, eine Veränderung eingetreten war. Nachdem ich das mehrere Male getan, merkte ich, daß die nähergelegenen Berge langsam vor den ferneren Bergen entlang glitten, und zwar von links nach rechts. Nun war mir klar, daß ich von einer Meeresströmung erfaßt worden war, die mich gen Norden trieb, das jedoch erschreckend weit von der Küste entfernt.
    Ich versuchte, dem Kanu eine andere Richtung zu geben, indem ich auf der dem Land abgekehrten Seite mit den Händen paddelte, doch gab ich das bald auf. Das Wasser, welches zuvor ganz still gewesen war, strudelte, und irgend etwas stieß so hart gegen mein Boot, daß es einen Satz machte. Als ich über Bord sah, erkannte ich eine tiefe Kerbe im harten Mahagoniholz und erblickte eine aufrechtstehende Flosse, ähnlich wie ein länglicher Kriegsschild, welche ganz in der Nähe das Wasser zerteilte. Diese Flosse umkreiste mein Kanu zwei oder dreimal, ehe sie unter einem neuerlichen anhaltenden Gestrudel in der Tiefe verschwand, und danach hütete ich mich, auch nur einen Finger über die schützende Bordwand hinauszuhalten.
    Nun, dachte ich bei mir, ich bin allen Gefahren entgangen, welche mir durch den Vulkan hätten drohen können. Jetzt habe ich nichts mehr zu befürchten, außer von einem Meeresungeheuer verschlungen zu werden, Hungers zu sterben, vor Hitze und Durst zu schrumpfen oder, wenn das Meer rauh wird, zu ertrinken. Ich dachte an Quetzalcóatl, den Herrscher der Toltéca längst vergangener Tage, welcher auf ähnliche Weise allein auf jenem anderen Meer im Osten davongefahren war und auf diese Weise zum beliebtesten Gott aller Götter geworden war, zu einem Gott, welcher von weit auseinander liegenden Völkern verehrt wurde, die sonst nicht das geringste miteinander gemein hatten. Selbstverständlich war ich mir darüber im klaren, daß bei seinem Abschied eine Menge von seinen Untertanen am Ufer gestanden hatten, um zu verfolgen, wie er sich immer weiter entfernte, Untertanen, die ihn verehrten und weinten, als er nicht zurückkehrte, und in der Folge hingingen und andere Menschen davon in Kenntnis setzten, daß der Mensch Quetzalcóatl fürderhin als Gott Quetzalcóatl zu verehren sei. Kein einziger Mensch war gekommen, mir zum Abschied das Geleit zu geben, niemand wußte auch nur davon, und es war auch völlig ausgeschlossen, daß jemand – wenn ich niemals zurückkehrte – eine Bewegung unter den Menschen ins Leben rief, welche forderte, mich zu einem Gott zu erheben. Infolgedessen tat ich besser daran, alles mir Mögliche zu tun, um solange wie möglich ein Mensch zu bleiben.
    Ich hatte dreiundzwanzig Fische. Zehn davon suchte ich aus und legte sie beiseite, solche, von denen ich wußte, daß sie eßbar waren. Zwei davon nahm ich mit meinem Dolch aus und reinigte sie und verzehrte sie roh – wenn auch nicht ganz roh, denn zumindest waren sie in dem kochenden Kessel der Bucht hinter mir ein wenig gegart worden. Die dreizehn Fische, bei denen ich mir nicht ganz klar war, ob sie eßbar seien, schlitzte ich auf, reinigte sie und befreite sie von den Gräten. Dann suchte ich meine Eßschale aus meinem Bündel hervor und wrang die Fische aus wie Lumpen, um noch den letzten Tropfen Körperflüssigkeit herauszudrücken. Die Schale mit der dergestalt gewonnenen Flüssigkeit steckte ich samt den acht mir noch verbliebenen eßbaren Fischen unter mein Bündel, um sie vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Auf diese Weise konnte ich am nächsten Tag noch zwei weitere Fische verzehren, welche immer noch vergleichsweise unverdorben waren. Doch am dritten Tag mußte ich mich schon sehr überwinden, noch zwei weitere zu essen; ich versuchte, die Brocken ganz hinunterzuschlucken, ohne sie durchzukauen, so schlüpfrig waren sie bereits geworden und so sehr stanken sie – und warf die übelriechenden letzten vier über Bord. Danach bestand meine einzige Nahrung eine Zeitlang aus einem gelegentlichen winzigen Schluck von dem Fischwasser aus meiner Schale – oder vielmehr war es kaum mehr, als daß ich mir die schmerzhaft aufgesprungenen Lippen damit netzte.
    Ich glaube, es war auch am dritten Tag, daß der letzte sichtbare Berggipfel Der Einen

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