Der Azteke
zu und ging. Die Si-ríame sagte: »Setz dich, Gast Mixtli. Ich werde dir jetzt einen Kräutertrank bereiten, welcher dein Gehirn reinfegt. Du solltest nicht betrunken sein, wenn du den Jipuri kaust.«
Ich setzte mich auf den mit Fichtennadeln bestreuten, gestampften Boden, sie brachte den Kräutertrunk auf dem Herd zum Sieden und kam mit einem kleinen Krug zu mir. »Der Saft der heiligen Urá-Pflanze«, beschrieb sie das Gebräu und nahm eine kleine Feder als Pinsel, um mir Tupfer und Spiralen aus leuchtendem Gelb auf Wangen und Stirn zu malen.
»So«, sagte sie, nachdem sie mir den heißen Trank gegeben hatte, welcher mich wunderbarerweise fast auf der Stelle aus meiner Umnebelung herausholte. »Ich weiß zwar nicht, was der Name Mixtli bedeutet, doch da du ein Ma-tuane bist, welcher das Götterlicht zum erstenmal sucht, rnußt du dir einen neuen Namen zulegen.«
Fast hätte ich laut herausgelacht. Längst hatte ich es aufgegeben, zu zählen, wie viele Namen ich im Laufe meines Lebens gehabt hatte. Doch sagte ich nur: »Mixtli bedeutet jenes am Himmel hängende Gebilde, welches ihr Rarámuri Kurú nennt.«
»Das ergibt einen guten Namen, bedürfte allerdings noch eines erklärenden Zusatzes. Wir werden dich Su-kuru nennen.«
Ich lachte nicht. Su-kuru bedeutet Dunkle Wolke, und woher hätte sie wissen wollen, daß das bereits mein Name war. Freilich fiel mir ein, daß eine Si-ríame unter anderem auch eine bekannte Zauberin sein sollte, und ich nahm an, daß ihr Götterlicht ihr Wahrheiten enthüllte, welche anderen Menschen verborgen blieben.
»Und jetzt, Su-kuru«, sagte sie, »mußt du alle Sünden bekennen, welche du im Leben begangen hast.«
»Meine verehrte Si-ríame«, sagte ich, und das war durchaus nicht sarkastisch gemeint, »wenn ich das tun wollte, bliebe mir vermutlich überhaupt keine Zeit mehr zum Leben.«
»Ach? So viele?« Nachdenklich sah sie mich an, um dann zu sagen: »Nun, da das wahre Götterlicht ausschließlich in uns Rarámuri lebt und es uns freisteht, anderen davon abzugeben, wollen wir nur jene Sünden aufzählen, die du begangen hast, seit du unter uns weilst. Erzähle mir von diesen.«
»Ich habe keine begangen. Zumindestens keine, von der ich wüßte.«
»Oh, du brauchst sie nicht begangen zu haben. Sie tun zu wollen, läuft aufs selbe hinaus. Zorn oder Haß empfinden und sich dafür rächen zu wollen. Irgendwelche unwürdigen Gedanken und Gefühle zu hegen. So hast du zum Beispiel deine Lust an diesem Mädchen nicht gestillt, doch
»Nicht so sehr aus Lüsternheit, verehrte Dame, als vielmehr aus Neugier.«
Sie machte ein verblüfftes Gesicht, und so erklärte ich ihr die Sache mit dem Ymáxtli, dem Körperhaar, welches ich noch bei keinem anderen Menschen gesehen hatte, und dem Drang, den es in mir erzeugt hatte. Sie brach in schallendes Gelächter aus.
»Wie ähnlich so etwas einem Barbaren sieht, der sich von etwas einnehmen läßt, was ein zivilisierter Mensch für selbstverständlich nimmt! Ich möchte wetten, daß ihr Wilden erst vor ein paar Jahren aufgehört habt, euch vom Feuer foppen zu lassen.«
Nachdem sie fertig war, zu lachen und sich über mich lustig zu machen, wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln und meinte ein wenig mitfühlender:
»Wisse denn, Su-kuru, daß wir Rarámuri tiefstehenden Völkern körperlich und geistig überlegen sind. Unser Körper spiegelt unser größeres Feingefühl wie etwa unsere Hochachtung vor dem Anstand. Aus diesem Grunde sproß unserem Körper jenes Haar, welches du so ungewöhnlich findest. Auf diese Weise sorgt unser Körper dafür, daß – selbst wenn wir unbekleidet sind – unser Geschlecht diskret bedeckt ist.«
Ich sagte: »Ich würde meinen, daß solch ein Haarwuchs ausgerechnet an jenen Teilen eher Aufmerksamkeit erregt als davon abzulenken. Daß er nicht sittsam ist, sondern geradezu unsittlich aufreizend.«
Da ich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Boden saß, konnte ich den Beweis, welcher sich unter meinem Schamtuch regte, nicht gut verbergen, und die Si-ríame konnte auch nicht so tun, als bemerke sie ihn nicht. Verwundert schüttelte sie den Kopf und murmelte, nicht für mich, sondern für sich bestimmt:
»Einfach das Haar zwischen den Beinen … genauso üblich und unscheinbar wie das Kraut zwischen den Felsen … und doch regt es einen Fremden auf. Und daß wir uns jetzt darüber unterhalten, macht mir meine eigenen … sonderbar bewußt …« Dann sagte sie eifrig: »Wir erkennen
Weitere Kostenlose Bücher