Der Azteke
Antwort doch nicht so unsinnig, wie sie klang. Vermutlich hätte ich auch keine bessere Erklärung für mein lebenslanges Bemühen um die Beherrschung der Wortkunde geben können, falls jemand mich jemals gefragt hätte, wozu ich das tat.
Nur sechs kräftige Männer nahmen am eigentlichen Ra-rajipuri-Rennen teil – diejenigen, welche von den Bewohnern von Guagüey-bo als die besten angesehen wurden. Diese sechs, zu denen diesmal auch Tes-disóra gehörte, genossen reichlich von dem ermüdungshemmenden Jipuri-Kaktus, ehe das Ereignis begann, und alle trugen einen kleinen Wassersack und einen Beutel Pinóli-Mehl bei sich, wovon sie genossen, ohne ihren Lauf auch nur im geringsten zu verlangsamen. An der Hüfte ihres Schamtuchgurts trugen sie außerdem ein paar kleine getrocknete Kalebassen, von denen eine jede einen Stein enthielt, dessen Gerassel sie davon abhalten sollte, im Laufen einzuschlafen.
Der Rest der Ra-rajipuri-Läufer bestand aus jedem gesunden Mann von Guagüey-bo, von Jünglingen bis zu Männern, die weit älter waren als ich, und diese liefen mit, um die eigentlichen Wettläufer aufzumuntern. Viele von ihnen waren schon am frühen Morgen vorausgelaufen. Das waren diejenigen, welche über kurze Strecken erstaunlich schnell laufen konnten, auf längere Entfernungen jedoch dazu neigten zu ermüden. Sie nahmen in Abständen an dem Pfad Aufstellung, welcher die beiden Dörfer miteinander verband. Kamen die ausgewählten Läufer vorüber, liefen diese Schnelläufer neben ihnen her, um auf diesen Zwischenstrecken die besten Leistungen aus ihnen herauszuholen.
Andere von den Nicht-Wettläufern trugen kleine Gefäße mit glühenden Kohlen sowie Kienholzfackeln mit, wobei letztere dazu dienen sollten, den Läufern in der Nacht den Weg zu erhellen. Noch andere trugen Schnüre mit Jipuri daran, Ersatzbeutel mit Pinóli und Wasser. Die jüngsten und die ältesten trugen gar nichts: ihre Aufgabe bestand darin, ständig anfeuernde und ermunternde Laute auszustoßen. Alle Männer hatten sich mit dem lebhaft gelben Urá-Farbstoff das Gesicht, die nackte Brust und den Rücken mit Tupfern bemalt. Mir bemalte man nur das Gesicht, denn im Gegensatz zu den anderen wurde mir gestattet, meinen Umhang mit den Ärmeln daran zu tragen.
Als Großvater Feuer sich am Spätnachmittag dem angegebenen Berg näherte, trat lächelnd die Si-ríame aus ihrem hölzernen Haus und trug als Zeichen ihrer Würde die Jaguarfelle, hielt den Stab mit dem Silberknauf in der Hand und in der anderen die gelbgestrichene Holzkugel, so groß wie ein Männerkopf. Sie stand da, blickte zur Sonne hinüber, während die Wettläufer und all ihre Gefährten in der Nähe standen und sich sichtbarlich vorlehnten in dem Begehren, jetzt endlich loslaufen zu können. In dem Augenblick, da Großvater Feuer den Berg berührte, setzte die Si-ríame ihr breitestes Lächeln auf und warf den Ball von der Schwelle ihres Hauses aus den wartenden sechs Läufern vor die Füße. Jeder Bewohner von Guagüey-bo stieß einen jubelnden Laut aus, die sechs Wettläufer waren auf und davon und traten im Laufen die Holzkugel von einem zum anderen. In respektvoller Entfernung folgten ihnen die anderen Teilnehmer, darunter ich. Die Si-ríame lächelte immer noch, als ich sie das letztemal sah, und die kleine Vi-rikóta hüpfte so munter auf und ab wie eine sterbende Kerzenflamme.
Ich hatte durchaus erwartet, daß die Masse der Läufer mir in wenigen Augenblicken weit voraus sein würde, hätte mir jedoch denken können, daß sie nicht gleich zu Beginn des Wettlaufs ihre gesamte Kraft verausgaben würden. Sie liefen in einem mäßigen Trab los, den sogar ich über längere Zeit durchhalten konnte. Wir liefen den Fluß auf dem Boden des Cañons entlang, die Hochrufe und Freudenschreie der Frauen, Kinder und alten Leute blieben hinter uns zurück, und unsere eigenen Rufer fingen an, die Läufer mit ihren Zurufen und ihrem Geschrei anzufeuern. Da die Läufer es nach Möglichkeit vermieden, die Kugel bergan zu treiben, folgten wir der Sohle des Cañons, bis die Seitenwände sanfter anstiegen und nicht mehr so hoch waren, was es uns gestattete, ohne allzu große Mühe hinaufzukommen und in den nach Süden führenden Wald einzudringen.
Ich bin stolz, berichten zu können, daß ich ein volles Drittel des Weges von Guagüey-bo bis nach Guacho-chi nicht hinter den Wettläufern zurückfiel. Vielleicht lag es an dem Jipuri, welchen ich vor Beginn des Wettlaufs genossen hatte, denn mehrere
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