Der Azteke
Male ertappte ich mich dabei, daß ich schneller lief, als ich jemals zuvor in meinem Leben gelaufen war und seit diesem Rennen nie wieder gelaufen bin. Das geschah jedesmal dann, wenn wir die aufgestellten Schnelläufer erreichten und unser Bestes taten, es ihnen in ihren Schnelligkeitsausbrüchen gleichzutun. Mehrere Male kamen wir auch an den aufgestellten Schnelläufern der Bewohner von Guacho-chi vorüber, die auf ihre eigenen Läufer aus der entgegengesetzten Richtung warteten. Diese Wettkämpfer überschütteten uns gutmütig mit Schimpfnamen, als wir vorüberkamen, wie etwa: »Trödler!« und »Humpler!« und dergleichen – insbesondere mich, da ich inzwischen ein ganzes Stück hinter dem Rest der Läufer aus Guagüey-bo zurückgeblieben war.
Vorgeneigt durch dicht stehende Bäume, über den unebenen Boden von Schluchten mit knöcheltiefem Geröll darin dahinzulaufen, war etwas, was ich nicht gewohnt war, doch schaffte ich es einigermaßen, solange es noch hell war. Als am Spätnachmittag die Dämmerung einsetzte, mußte ich meinen Topas vors Auge halten, um weiterlaufen zu können, und das zwang mich, mit meiner Geschwindigkeit wesentlich herunterzugehen. Als es dann dunkler wurde, sah ich die Leitlichter vor mir aufleuchten, wo die Fackelträger ihre Kienfackeln in Brand setzten. Aber selbstverständlich blieb keiner von diesen Männern zurück, um einem derer, die nicht richtig am Rennen teilnahmen, zu leuchten, und so fiel ich immer weiter hinter der Masse der Laufenden zurück, und ihre Rufe drangen immer schwächer an mein Ohr.
Dann, als die Dunkelheit mich vollends umringte, erblickte ich auf dem Boden unmittelbar vor mir einen roten Schimmer. Die freundlichen Rarámuri hatten ihren fremden Gefährten Sukuru also doch nicht ganz vergessen. Einer von den Fackelträgern hatte, nachdem er seine Fackel in Brand gesetzt, sein Glutgefäß an einer Stelle niedergesetzt, wo er mit Sicherheit annahm, daß ich es finden würde. Folglich hielt ich in meinem Lauf inne, schichtete ein Lagerfeuer auf, entzündete es und richtete mich darauf ein, die Nacht dort zu verbringen. Ich gebe gern zu, daß ich trotz des reichlichen Jipuri-Genusses so ausgepumpt und müde war, daß ich einfach hinfallen und schlafen hätte wollen, doch schäme ich mich, wenn ich nur daran denke, denn jeder andere Mann im ganzen Umkreis verlangte sich das Äußerste an Durchhaltevermögen ab. Auch wäre ich – und damit auch meine Gastgeber – unerträglich gedemütigt worden, wenn die gegnerischen Läufer aus Guacho-chi vorüber kamen und einen »Guagüey-bo-Mann« dort schlafend vorgefunden hätten. Deshalb nahm ich etwas von meinem Pinóli zu mir, spülte den Brei mit einem Schluck aus meinem Wasserbeutel herunter und kaute noch etwas Jipuri, was mich wieder recht munter machte. Die ganze Nacht über saß ich auf, legte gelegentlich ein Stück Holz nach, damit das Feuer mich wärmte, jedoch nicht allzu sehr, weil ich nicht schläfrig werden wollte.
Den Wettläufern aus Guacho-chi sollte ich zweimal begegnen, ehe ich Tes-disóra und meine ehemaligen Gefährten wiedersah. Nachdem die beiden Gruppen ungefähr mittwegs zwischen den beiden Dörfern aneinander vorbeigelaufen waren, kamen die gegnerischen Läufer ziemlich genau in der Mitte der Nacht an meinem Feuer vorüber. Danach sollten sie in Guagüey-bo eintreffen, kehrtmachen, aus dem Nordwesten zurückkehren und am Morgen wieder an mir vorüberkommen. Der bereits auf dem Rücklauf befindliche Tes-disóra und seine Gefährten würden nicht auftauchen, bis die Mittagssonne hoch über mir stand – so daß ich mich ihnen anschließen und wieder nach Hause zurückkehren konnte.
Nun, meine Berechnung des ersten Zusammentreffens erwies sich als richtig. Mit Hilfe meines Topases beobachtete ich die Sterne, und nach ihnen zu urteilen, war es in der Tat Mitternacht, als ich auf- und niederhüpfende Lichter aus dem Südosten näherkommen sah. Ich beschloß, so zu tun, als wäre ich einer von den Schnelläufern aus Guagüey-bo, die hier postiert waren, stand also auf und versuchte einen möglichst wachsamen Eindruck zu erwecken, und noch ehe der vorderste Läufer auftauchte, begann ich zu rufen: »Trödler! Humpler!« Die Läufer und ihre Fackelträger riefen nichts zurück; dazu waren sie viel zu sehr damit beschäftigt, die Holzkugel nicht aus den Augen zu lassen, von der jede Farbe längst abgegangen war und die recht angestoßen und zerfasert aussah. Doch die Schar der Begleiter aus
Weitere Kostenlose Bücher