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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Außerdem habe ich hier deine Karten der südlichen Handelsrouten bis hinunter ins Maya-Land. Hervorragend ausführlich, alle. Wirklich, sehr gute Arbeit.« Er hielt inne und richtete dann seine kalten Augen auf mich. »Du darfst ›danke schön‹ sagen, wenn dein Verehrter Sprecher dir ein Kompliment macht.«
    Wie es sich offenbar gehörte, sagte ich: »Danke schön«, und Motecuzóma fuhr fort:
    »Soviel ich gehört habe, hast du, seit du meinem Onkel diese Karten übergabst, andere Reisen unternommen.« Er wartete, und als ich mich in Schweigen hüllte, fuhr er mich an: »Sprich!«
    »Ich bin nicht gefragt worden, Hoher Gebieter!«
    Lächelnd, jedoch ohne Humor, fragte er höchst präzise: »Hast du während dieser jüngsten Reisen auch Karten angefertigt?«
    »Jawohl, Verehrter Sprecher, entweder unterwegs oder aber gleich nach meiner Heimkehr, solange mir die Einzelheiten noch vor Augen standen.«
    »Diese Karten wirst du hier im Palast abliefern. Ich werde sie gebrauchen können, wenn ich nach Texcála auch noch woanders Krieg führe.« Ich sagte nichts; Gehorsam galt als selbstverständlich. Er fuhr fort: »Wie ich gehört habe, beherrschst du auch bewundernswert verschiedene provinzielle Sprachen.«
    Wieder wartete er. Ich sagte: »Vielen Dank, Verehrter Sprecher.«
    »Das war kein Kompliment«, versetzte er bissig.
    »Ihr habt ›bewundernswert‹ gesagt, Hoher Gebieter.«
    Manche vom Staatsrat rollten mit den Augen, andere schlossen sie.
    »Schluß mit dieser Unverfrorenheit! Welche Sprachen sprichst du?«
    »Vom Náhuatl beherrsche ich sowohl die gebildete Form als auch die gewöhnliche Mundart, wie sie hier in Tenochtítlan gesprochen wird. Desgleichen das noch verfeinertere Náhuatl von Texcóco und die verschiedenen rohen Dialekte, wie sie in solchen fernen Landen wie Texcála gesprochen werden.« Ungeduldig trommelte Motecuzóma mit den Fingern auf sein Knie. »Des weiteren spreche ich fließend das Lóochi der Tzapotéca, nicht ganz so fließend viele der Poré-Dialekte Michihuácans. Ich kann mich in der Sprache der Mixtéca verständlich machen, in etlichen der Olméca-Sprachen, der Sprache der Maya und in den verschiedenen Dialekten der Mayasprache. Des weiteren beherrsche ich ein paar Worte Otomite und …«
    »Genug«, erklärte Motecuzóma scharf. »Es ist gut möglich, daß ich dir Gelegenheit geben werde, deine Begabungen zu nutzen, wenn ich irgendein Volk mit Krieg überziehe, dessen Wort für ›Waffenstrecken‹ ich nicht kenne. Doch fürs erste genügen deine Karten. Beeile dich, sie abzuliefern.«
    Ich sagte nichts: Gehorsam galt als selbstverständlich. Einige von den alten Männern bewegten lautlos aber eindringlich den Mund in meine Richtung. Ich fragte mich schon, warum, da schrie Motecuzóma fast:
    »Damit warst du entlassen, Ritter Mixtli.«
    Wie vorgeschrieben, verließ ich rückwärts schreitend den Raum, zog mir im Korridor das Sackgewand des Bettlers über den Kopf und sagte zu dem Kämmerer: »Der Mann ist wahnsinnig. Aber ist er ein Tlahuéle oder nur ein Xolopitli?« Im Náhuatl gibt es zwei Wörter für einen Wahnsinnigen: Als Xolopitli bezeichnet man den harmlosen Irren, wohingegen ein Tlahuéle ein gefährlicher Wahnsinniger ist. Bei beiden Worten zuckte der Kämmerer zusammen und wand sich innerlich.
    »Bitte, Gebieter, mäßigt Eure Stimme.« Dann murmelte er: »Zugegeben, er hat seine Absonderlichkeiten. Wißt Ihr was? Er nimmt nur eine Mahlzeit am Tag zu sich, und zwar abends, aber bestellen tut er zwanzig verschiedene, manchmal hundert Gerichte, so daß er, wenn er speisen möchte, sich kommen lassen kann, worauf er in diesem Augenblick gerade Appetit hat. Es kommt vor, daß er von den vielen zubereiteten Speisen nur eine zu sich nimmt und von zwei oder drei anderen nur kostet.«
    »Und der Rest wird weggeworfen?«
    »O nein. Zu jeder Mahlzeit lädt er all seine bevorzugtesten und höchststehenden Herren ein, alle, die sich durch Boten erreichen lassen. Und die Herren treffen ein, zwanzig auf einmal, manchmal sogar Hunderte, selbst wenn das bedeutet, daß sie von ihrem eigenen Speisentuch aufstehen und ihre Familien verlassen müssen, und – und essen, was der Uey-Tlatoáni verschmäht.«
    »Merkwürdig«, murmelte ich. »Ich hätte nie gedacht, daß Motecuzóma die Gesellschaft vieler Menschen liebt, nicht einmal beim Essen.«
    »Das tut er auch nicht. Die anderen Herren speisen im selben großen Speisesaal, aber jede Unterhaltung ist verboten. Und vom Verehrten

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