Der Azteke
plötzlich so schwindlig, daß ich mich wieder zurückfallen ließ ins Gras.
Mir war ganz sonderbar zumute, und ich muß ein paar merkwürdige Laute ausgestoßen haben, denn Tzitzi lehnte sich über mich und sah mir forschend ins Gesicht. So bleiern müde und verwirrt ich auch war, gewann ich doch den Eindruck, als warte sie darauf, daß etwas mit mir geschehe. Ihre Zungenspitze lugte zwischen den blendend weißen Zähnen hervor, und ihre zusammengekniffenen Augen betrachteten mich, als suche sie nach irgendeinem Zeichen. Dann verzogen sich ihre Lippen zu einem mutwilligen Lächeln, sie netzte sie mit der Zunge, und in ihren Augen leuchtete fast so etwas wie Triumph auf. Sie machte eine Bemerkung über meine eigenen Augen, und ihre Stimme schien merkwürdig zu klingen, wie ein von weit herkommendes Echo.
»Deine Pupillen sind ganz groß geworden, mein Bruder.« Da sie immer noch lächelte, sah ich keinen Grund zur Beunruhigung. »Deine Iris ist kaum noch braun, sondern fast schwarz. Was siehst du mit diesen Augen?«
»Ich sehe dich, meine Schwester«, sagte ich mit belegter Stimme. »Aber irgendwie siehst du anders aus. Du siehst …«
»Ja?« forderte sie mich zum Weitersprechen auf.
»Du siehst so schön aus.« Ich konnte nicht anders. Ich mußte es einfach sagen.
Wie jeder Junge meines Alters wurde von mir erwartet, Mädchen gering zu schätzen und zu verachten – falls ich mich überhaupt herabließ, sie zu beachten –, und die eigene Schwester war selbstverständlich noch mehr zu verachten als jedes andere Mädchen. Allerdings hätte ich immer gewußt, daß Tzitzitlíni schön war, selbst wenn die Erwachsenen – Männer wie Frauen in gleicher Weise – es nicht jedesmal ausdrücklich erklärt hätten, wenn ihnen beim ersten Anblick der Atem stockte. Kein Bildhauer hätte je die biegsame Anmut ihres jungen Körpers einfangen können, denn Stein oder Ton sind starr, und bei ihr hatte man den Eindruck, als wäre sie immer und unentwegt in fließender Bewegung begriffen, selbst wenn sie ganz ruhig dasaß. Keinem Maler auch wäre es gelungen, den Goldton ihrer Haut zu treffen oder die Farbe ihrer Augen; rehbraun und goldgesprenkelt …
Doch an diesem Tag war noch etwas Magisches hinzugekommen, und das war der Grund, warum ich nicht hatte umhinkönnen, ihr zu sagen, wie schön sie sei, selbst wenn ich das nicht gewollt hätte. Der Zauber ging deutlich von ihrer ganzen Gestalt aus, umgab sie gleichsam wie der Dunst aus Wassergeschmeide am Himmel, wenn die Sonne unmittelbar im Anschluß an einen Regenschauer wieder durchbricht.
»Da sind Farben«, sagte ich mit merkwürdig belegter Stimme. »Farbstreifen wie der Dunst von Wassergeschmeide. Sie umstrahlen dein ganzes Gesicht, meine Schwester. Ein Schimmer von Rot … und am Rand violett … und … und …«
»Dann bereitet es dir also Vergnügen, mich anzuschauen?« fragte sie.
»Das tut es wahrhaftig. Ja. Vergnügen.«
»Dann schweig stille, mein Bruder, und laß mich dir Vergnügen bereiten.«
Ich schluckte. Ihre Hand fuhr unter meinen Umhang. Und vergeßt nicht, ehrwürdige Patres – ich war um ein knappes Jahr soweit, daß ich ein Schamtuch hätte tragen müssen. Ich hätte den kühnen Zugriff meiner Schwester als unerhörte Verletzung meiner Scham betrachten müssen, nur, daß es mir jetzt durchaus nicht als solche erschien und ich mich im übrigen viel zu benommen fühlte, um auch nur die Arme zu heben und sie abzuwehren. Ich spürte fast nichts, außer daß es in einem Teil meines Körpers zu wachsen schien, wo ich zuvor nicht besonders merklich gewachsen war. Doch auch mit Tzitzis Körper ging eine Veränderung vor. Ihre jungen Brüste zeichneten sich für gewöhnlich nur als bescheidene Hügel unter ihrer Bluse ab, doch jetzt, während sie über mir kniete, waren ihre Brustwarzen geschwollen und stießen kleinen Fingerspitzen gleich gegen das dünne Tuch, das sie bedeckte.
Es gelang mir, den schweren Kopf zu heben und trüben Auges auf mein Tepúli in ihrer hurtigen Hand zu starren. Nie zuvor wäre es mir in den Sinn gekommen, daß man die Haut meines Gliedes bis ganz hinunter hätte schieben und es ganz hätte enthüllen können. Es war das erstemal, daß ich mehr sah als die Spitze und den gekräuselten kleinen Mund, der jetzt, wo die äußere Haut zurückgeschoben war, eher wie ein strotzender Pilz aussah, der Tzitzis fest zupackenden Fingern entwuchs.
»Oéya, yoyolcatíca«, murmelte sie, und ihr Gesicht war fast so feuerübergossen wie
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