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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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brauchte ich weder unbedingt vom Endpunkt Tenochtítlan auszugehen noch von irgendeinem anderen Ort, den sie im Seenbereich bewohnt hatten, denn diese Stätten konnten keine unentdeckten Geheimnisse der Azteca bergen. Doch den alten Berichten zufolge, hatte eine der Siedlungen der Azteca, bevor sie das Seenbecken entdeckt hatten, irgendwo nördlich von diesen Seen gelegen, an einem Ort namens Atlitalácan. Infolgedessen wandte ich mich von Quaunáhuac zunächst nach Nordwesten, dann nach Norden und dann nach Nordosten, umrundete also das Herrschaftsgebiet des Dreibunds und hielt mich in gehöriger Entfernung davon, bis ich in das spärlich besiedelte Land hinter Oxitipan gelangte, die nördlichste von einer Mexíca-Garnison bemannte Grenzstadt. In diesem mir völlig fremden Land, in dem ich nur selten auf irgendwelche Dörfer stieß und zwischen denen auch nur selten Reisende verkehrten, begann ich, mich nach Atlitalácan durchzufragen. Doch auf meine Fragen begegnete man mir nur mit verständnislosen Blicken und Achselzucken, denn ich hatte es mit einer doppelten Schwierigkeit zu tun.
    Die eine bestand darin, daß ich keine Ahnung hatte, was Atlitalácan war oder was es gewesen war. Es war möglich, daß es zur Zeit, da die Azteca sich dort aufgehalten hatten, eine feste, seit langem bestehende Gemeinde gewesen war, die es heute jedoch längst nicht mehr gab. Denkbar war es jedoch auch, daß Atlitalácan nur ein besonders günstiger Ort gewesen war, dort sein Lager aufzuschlagen – ein Hain oder eine Weide –, dem die Azteca nur vorübergehend diesen Namen gegeben hatten. Meine zweite Schwierigkeit bestand darin, daß ich nunmehr in den südlichen Teil des Landes des Otomi-Volkes eingedrungen war, oder genauer gesagt in jenes Gebiet, in welches die Otomi sich zähneknirschend zurückgezogen hatten, als sie von den nacheinander eindringenden Wellen von Culhua, Acólhua, Azteca und anderen náhuatl-sprechenden Eindringlingen aus dem Seengebiet verdrängt worden waren. Infolgedessen stellte sich mir in diesem offenen Grenzgebiet ein Sprachproblem. Einige von den Menschen, an die ich mich wandte, sprachen ein recht passables Náhuatl oder das Pore ihrer Nachbarn weiter im Westen. Manche jedoch sprachen nur Otomite, eine Sprache, in welcher ich mich keineswegs fließend ausdrücken konnte, und noch andere sprachen einen schrecklichen Mischmasch aus allen diesen drei Sprachen. Wiewohl meine hartnäckigen Bemühungen, mit Dorfbewohnern, Bauern und Reisenden ins Gespräch zu kommen, mich instand setzten, mir im Otomite einen Wortschatz anzueignen, mit dem sich durchaus etwas anfangen ließ und welcher es mir ermöglichte zu erklären, was ich wollte, gelang es mir dennoch nicht, einen Einheimischen aufzutreiben, der mir hätte sagen können, wie ich das verlorene Atlitalácan erreichte.
    Ich mußte es selbst finden, und es gelang mir auch. Glücklicherweise barg der Name der Stadt oder des Ortes selbst den Schlüssel dazu – denn Atlitalácan bedeutet »Wo das Wasser sprudelt« – und eines Tages kam ich in ein hübsches, sauberes kleines Dorf namens D'ntado Dehé, was auf otomite fast das gleiche bedeutet. Dieses Dorf war errichtet worden, weil dort dem Felsen ein Süßwasserquell entsprang – die einzige Quelle innerhalb eines recht ausgedehnten Trockengebiets. Hier konnten die Azteca durchaus haltgemacht haben auf ihrem Zug in den Süden, denn von Norden her führte eine alte Straße in das Dorf, eine Straße, die dann ganz allgemein in südlicher Richtung auf den Tzumpánco-See zuführte.
    Die wenigen Bewohner von D'ntado Dehé betrachteten mich selbstverständlich voller Argwohn, doch eine ältere Witwe war zu arm, um es sich leisten zu können, allzu viele Bedenken zu haben, und überließ mir gegen entsprechendes Entgelt für ein paar Tage ihren Kornspeicher unterm Dach ihrer nur aus einem einzigen Raum bestehenden Lehmhütte. Während dieser Tage versuchte ich, mir die wortkargen Otomi lächelnd zu Dank zu verpflichten und sie zu bewegen, sich doch mit mir zu unterhalten. Als das fehlschlug, erkundete ich in immer weiteren Kreisen die Umgebung des Dorfes und suchte nach irgendwelchen Vorratslagern, welche meine Ahnen dort angelegt haben könnten, wiewohl ich davon ausging, daß eine solche unsystematische Suche von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Wenn die Azteca wirklich irgendwelche Waffen oder Vorräte auf ihrem Zug verborgen hatten, hatten sie mit Sicherheit dafür gesorgt, daß diese Vorräte von

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