Der Azteke
Spur der Azteca zurückzuverfolgen, und soweit ich wußte, waren sie von irgendwoher aus der Wüste selbst oder jenseits der Wüste hergekommen – falls es hinter dieser Wüste überhaupt noch etwas gab. Infolgedessen füllte ich meinen Wasserbeutel mit dem Wasser aus dem Fluß, holte in der kühlen Luft noch einmal tief Luft und schritt weiter nach Norden aus. Ich wandte dem lebenden Land den Rücken zu, zog hinein ins leere Land, in das ausgebrannte Land, in das Land der Toten Knochen.
Die Wüste ist eine Wildnis, welche die Götter martern, sofern sie es nicht vorziehen, sie überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Nichts lockert dieses eintönige und nahezu gleichförmig flache Land aus graugelbem Sand, graubraunem Gestein und schwarzgrauen Felsen auf. Kein Erdbeben stört seine Ruhe. Keine Vulkane speien Feuer und es gibt keine heißen Quellen oder Dämpfe, die irgendwo aufsteigen.
Wenig lebt in jenem heißen, unwirtlichen und trockenen Land. Selbstverständlich sah oder hörte ich gelegentlich einen Kojoten. Außerdem gab es auch Kaninchen, die offenbar einzig und allein zu dem Zweck da waren, den Kojoten als Nahrung zu dienen. Des weiteren gab es Zaunkönige und Eulen, nicht viel größer als die Zaunkönige, welche in Löchern nisteten, die sie in die Kakteen hineinhackten, und ständig zogen ein oder zwei Aasgeier ihre Kreise über mir. Doch alle anderen Wüstenbewohner scheinen der Gattung Kleingetier anzugehören und unter der Erde oder unter den Felsen zu leben – die giftigen Klapperschlangen, peitschenlange Eidechsen, andere Eidechsen, über und über mit Warzen und Hornhaut bedeckt, Skorpione, so groß fast wie meine Hand.
Gewiß, selbst dort treibt der Nopáli-Kaktus im Herbst seine süßen roten Tonáltin-Früchte und der riesige Quinámetl-Kaktus bietet am Ende seiner hochgereckten Arme süße, violett überhauchte Pitaáya-Früchte, doch die meisten Wüstenkakteen treiben nichts weiter als Stacheln und Dornen, Haken und Widerhaken. Was die Bäume betrifft, so gibt es nur hin und wieder einen knorrigen Mizquitl, die Yucca-Palmlilie mit ihren lanzettförmigen Blättern, und die Quaumátlatl, die über und über von einer seltsam hellgrünen, dabei jedoch leuchtenden Farbe ist: Blätter, Zweige, Äste, sogar der Stamm. Zu den kleineren Sträuchern gehört der nützliche Chiyáctic, dessen Saft etwas öliges hat und dafür sorgt, daß sich daraus ein leicht brennendes Lagerfeuer machen läßt, und der Quauxelolóni, dessen Holz härter ist als selbst Kupfer, sich fast überhaupt nicht bearbeiten läßt und so schwer ist, daß es im Wasser untergehen würde, wenn es so etwas wie Wasser dort gäbe.
Alles, was das menschliche Leben lebenswert macht, fehlt in der Wüste entweder ganz oder kommt nur selten vor. Ein Mensch, der keine Ahnung von der Wüste hat, nicht darauf vorbereitet ist und es unternehmen wollte, sie zu durchqueren, würde bald darin zu Tode kommen – und zwar nicht zu einem leichten und raschen Tod. Doch wenn ich selbst auch zum erstenmal in dieses Ödland vorstieß, kam ich nicht gänzlich unwissend und unvorbereitet. In meiner Schulzeit, da wir Knaben in den Künsten des Krieges unterwiesen worden waren, hatte der Cuachic Blut Schwelger darauf bestanden, uns auch beizubringen, wie man in der Wüste überlebt.
So mangelte es mir dank seiner Unterweisung niemals an Wasser. Den bequemsten Quell stellt der Comitl-Kaktus dar, weshalb er ja auch Comitl oder Krug genannt wird. Ich suchte mir ein größeres Exemplar des Kaktus aus, häufte einen Kreis von Zweigen drum herum auf, setzte diese in Brand und wartete, bis die Hitze die Feuchtigkeit bis ins innerste Mark trieb. Danach brauchte ich bloß den obersten Teil des Kaktus abzuschlagen, das Mark auszudrücken und die Feuchtigkeit darin in meinen Lederbeutel auszupressen. Gelegentlich fällte ich einen der hoch und gerade gewachsenen Kakteen und legte ihn mit den Enden auf irgendwelche Felsen, damit er in der Mitte durchsackte. Gegen Morgen hatte der ganze Saft sich am Knick in der Mitte gesammelt, ich brauchte nur ein Loch hineinzuschneiden und das Naß in meinen Beutel tröpfeln lassen.
Fleisch hatte ich nur selten, um es abends an meinem Lagerfeuer zu braten, höchstens einmal eine Eidechse, und das waren kaum zwei Happen – und einmal ein Kaninchen, das noch gezuckt hatte, als ich den Geier vertrieb, der daran herumhackte. Aber Fleisch ist nicht unentbehrlich für die Erhaltung des Lebens. Das ganze Jahr über ist der
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