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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Moral und Normen hielten, und ich habe nie einen Spanier kennengelernt, welcher von diesen strengen Regeln abgegangen wäre, nicht einmal während des stürmischen Aktes der Vergewaltigung. Ich kann wahrheitsgemäß erklären, daß ich nie einen einzigen spanischen Soldaten eine unserer Frauen habe anders schänden sehen als in jener einen Öffnung und einen Stellung, wie sie Christen erlaubt ist.
    Selbst als man meinte, daß die beiden Fremden nun so sauber wären, wie man sie machen konnte, wenn man sie nicht geradezu einen oder zwei Tage lang kochte, bildeten sie gleichwohl immer noch keine gerade angenehme Gesellschaft. Die Sklaven vermochten mit Wasser und Seife nur wenig auszurichten gegen ihre grünen Zähne und ihren abscheulichen Mundgeruch. Immerhin reichte man ihnen saubere Umhänge, und ihre eigenen grausig stinkenden Kleider wurden fortgetragen und verbrannt. Meine Wachen brachten die beiden in eine Ecke des Hofes, wo Ah Tutál und ich auf niedrigen Stühlen saßen, und drückten sie hinunter, so daß sie vor uns auf dem Boden hockten.
    Ah Tutál war so vorausschauend gewesen, einen der durchlöcherten Rauchtöpfe bereitzustellen und sie mit seinem aromatischsten Picietl sowie etlichen anderen wohlduftenden Kräutern zu stopfen. Er setzte die Mischung in Brand, wir beide steckten ein Rohr durch je eines der Löcher im Topf und pafften große Wolken wohlduftenden Rauches, um gleichsam einen Duftvorhang zwischen uns und denen zu errichten, mit denen wir uns unterhalten wollten. Als ich sah, daß sie zitterten, nahm ich an, daß sie frören, weil ihr Körper noch nicht ganz trocken war, oder von dem unerträglichen Schock, plötzlich sauber zu sein. Später erfuhr ich, daß sie deshalb bebten, weil es sie entsetzte, zum erstenmal Männer zu sehen, die »Feuer atmeten«.
    Nun, wenn unser Anblick ihnen nicht gefiel – ihr Anblick gefiel mir genausowenig. Nachdem etliche Schichten eingewachsenen Schmutzes von ihren Gesichtern abgeschrubbt worden waren, sahen sie womöglich noch weißer aus als zuvor; außerdem war die Haut, welche über ihren Barten zu sehen war, nicht so glatt wie die unsere. Das Gesicht des einen Mannes war über und über mit Narben bedeckt wie ein Stück Lavagestein. Das Gesicht des anderen wies Pickel und offene Pusteln auf. Als ich ihre Sprache hinreichend beherrschte, um eine so heikle Frage formulieren zu können, zuckten sie nur gleichmütig mit den Achseln und sagten, fast alle Menschen ihrer Rasse, Frauen wie Männer, litten irgendwann in ihrem Leben an »Blattern«. Einige stürben daran, sagten sie, doch die meisten trügen nur entstellende Narben davon. Da jedoch so viele damit geschlagen seien, hätten sie nicht das Gefühl, daß ihre Schönheit darunter leide. Vielleicht empfanden sie das wirklich nicht so; ich jedoch meinte, es sei eine höchst unschöne Verunstaltung. Zumindest fand ich das damals. Heute, wo so viele von meinen eigenen Landsleuten vernarbte Gesichter haben wie ein Stück poröser Lava, versuche ich, nicht zusammenzuzucken, wenn ich sie ansehe.
    Für gewöhnlich hatte ich beim Erlernen einer Fremdsprache damit begonnen, daß ich auf bestimmte Dinge gezeigt und die betreffenden Menschen dann ermutigt hatte, mir zu sagen, wie sie in seiner Sprache hießen. Eine Sklavin hatte mir und Ah Tutál gerade einen Becher Schokolade gebracht, folglich hielt ich sie fest und schlug ihren Rock hoch, um ihr Tipili sichtbar zu machen, zeigte mit dem Finger darauf und sagte – nun, ich sagte jenen Ausdruck, von dem ich heute weiß, daß es ein höchst ungehöriger spanischer Ausdruck ist. Die beiden Fremden schauten höchst verwundert und auch ein wenig verlegen drein. Daraufhin zeigte ich auf meinen eigenen Schritt und sagte ein anderes Wort, von dem ich heute weiß, daß ich es in der Öffentlichkeit besser nicht ausspreche.
    Diesmal war ich es, der überrascht war. Die beiden sprangen in die Höhe, und Schrecken stand in ihren rollenden Augen. Daraufhin begriff ich ihre Panik und mußte einfach lachen. Offensichtlich dachten sie, wenn ich Befehl geben könnte, sie von Kopf bis Fuß abzuschrubben, könne ich genauso leicht Befehl geben, sie zu kastrieren, weil sie sich der Frauen von Tihó bedient hätten. Immer noch lachend, schüttelte ich den Kopf und hob beschwichtigend die Hand. Sodann zeigte ich nochmals auf den Schritt des Mädchens und auf meinen eigenen und sagte: »Tipili« und »Tepúli«. Sodann zeigte ich auf meine Nase und sagte »Yacatl«. Die beiden

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