Der Azteke
beiden seien, so sagten sie, aus einem Land im Osten gekommen, weit jenseits des Horizonts überm Meer. Das hatte ich mir selbstverständlich schon selbst gedacht, und so sagte es mir auch nicht viel mehr, als sie erklärten, dieses Land heiße Cuba und dieses Cuba sei nur eine Kolonie eines viel größeren und noch weit, weit ferneren Landes im Osten namens Spanien oder Castilien, und von diesem Machtzentrum aus regiere ihr König seine weit auseinander liegenden spanischen Kolonien. Dieses Spanien oder Castilien, sagten sie, sei ein Land, in welchem alle Männer und Frauen von weißer Hautfarbe seien, mit Ausnahme einiger weniger niedrig stehender Personen, welche Mauren oder Mohren hießen und deren Haut vollständig schwarz sei. Letztere Behauptung hätte ich wohl dermaßen unglaubwürdig gefunden, daß ich geradezu allem, was die beiden Männer mir erzählten, mit größtem Argwohn begegnet wäre. Dann jedoch überlegte ich, daß in unseren Landen gelegentlich ein krankhaft weißer Tlacaztáli geboren werde. Warum sollte daher nicht in einem Land, in welchem alle Menschen weiß waren, gelegentlich auch ein krankhaft schwarzer Mensch zur Welt kommen?
Aguilar und Guerrero erklärten, sie seien einzig und allein durch einen Unglücksfall bei uns an Land gespült worden. Sie hätten zu den einigen hundert Männern und Frauen gehört, welche Cuba in zwölf der großen schwimmenden Häuser – Schiffe, nannten sie sie – unter dem Kommando eines Capitán Diego de Nicuesa verlassen hätten, welche ausersehen worden waren, eine weitere spanische Kolonie zu gründen, zu welcher er als Gouverneur bestellt worden sei und die Castilla de Oro heißen und irgendwo weit im Südosten von hier liegen solle. Die Expedition sei jedoch vom Unglück verfolgt gewesen, welches sie geneigt waren, auf den Einfluß des unheilbringenden »geschweiften Kometen« zu schieben.
Ein heftiger Sturm habe die Schiffe auseinandergetrieben, und dasjenige, auf dem sie gefahren seien, sei schließlich auf Felsen aufgelaufen, leck geschlagen, gekentert und zuletzt gesunken. Nur Aguilar und Guerrero und zwei anderen Männern sei es gelungen, das sinkende Fahrzeug in einer Art von großem Kanu zu verlassen, welches für derlei Notfälle an Bord dieser großen Schiffe mitgeführt werde. Zu ihrer Überraschung sei dieses Kanu kaum lange flott gewesen, als es hier in unserem Land an den Strand getrieben worden wäre. Die anderen beiden Insassen des Kanus seien in den gewaltigen Brechern ertrunken, und Aguilar und Guerrero würde wohl das gleiche Schicksal geblüht haben, wären nicht »die roten Männer« gelaufen gekommen und hätten sie gerettet.
Aguilar und Guerrero bekundeten ihre Dankbarkeit dafür, gerettet und so gastfreundlich aufgenommen worden zu sein, wohl genährt und unterhalten. Noch dankbarer würden sie jedoch sein, sagten sie, wenn wir roten Männer sie zurückbrächten an die Küste und zu ihrem Kanu. Guerrero, der Zimmermann, war überzeugt, jeden Schaden beheben zu können, welchen das Boot genommen habe, und außerdem Ruder machen zu können, um es vorwärts zu bewegen. Er und Aguilar waren gleichermaßen sicher, daß im Falle ihr Gott ihnen günstiges Wetter schenkte, sie nach Osten rudern und Cuba wiederfinden könnten.
»Soll ich sie ziehen lassen?« fragte Ah Tutál, für welchen ich dolmetschte, als wir mit den Befragungen weiter vorankamen.
Ich sagte: »Wenn sie das Land Cuba von hier aus finden können, sollten sie keine Schwierigkeiten haben, Uluümil Kutz von dort aus gleichfalls wiederzufinden. Und ihr habt ja gehört: Auf ihrem Cuba scheint es von weißen Männern zu wimmeln, die darauf brennen, überall neue Kolonien zu gründen, wo sie hinkommen können. Wollt Ihr, daß sie in großen Haufen hierher kommen, Herr Mutter?«
»Nein«, sagte er bekümmert. »Aber sie könnten einen Arzt herbringen, welcher die sonderbare Krankheit heilen kann, die sich unter uns ausbreitet. Unsere eigenen Heilkundigen haben jedes Mittel angewandt, das sie kennen, aber es erkranken jeden Tag mehr Menschen, und drei sind bereits daran gestorben.«
»Vielleicht kennen diese Männer selbst ein Heilmittel«, gab ich zu bedenken. »Laßt uns einen der Kranken ansehen.«
Ah Tutál geleitete mich und Aguilar in eine Hütte in der Stadt, in der ein Arzt stand, der sich das Kinn rieb, etwas Unverständliches brummelte und mit sorgengefurchter Stirn auf ein junges Mädchen hinunterblickte, das sich im Fieber auf seinem Lager hin und her warf;
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