Der Azteke
ihr Gesicht glänzte vom Schweiß, und ihre Augen waren glasig und erkannten nichts. Aguilars weiße Haut überzog sich mit feiner Röte, als er in ihr eines der Mädchen erkannte, die ihn in seiner und Guerreros Wohnung besucht hatten.
Langsam, damit ich es verstehen könnte, sagte er: »Ich muß Euch leider sagen, daß sie die Blattern hat. Seht Ihr? Die Ausbrüche beginnen ihr auf der Stirn zu wachsen.«
Ich dolmetschte das für den Arzt, der von Berufs wegen mißtrauisch aussah, aber sagte: »Fragt ihn, was seine Leute machen, um sie zu behandeln.«
Ich tat es, doch Aguilar zuckte nur mit den Achseln und sagte: »Sie beten.«
»Offensichtlich rückständige Menschen«, knurrte der Arzt, fügte jedoch hinzu: »Fragt ihn, zu welchem Gott.«
Aguilar sagte: »Selbstverständlich Zum Herrgott.«
Das half uns zwar nicht weiter, aber ich hielt es für richtig, immerhin zu fragen: »Betet Ihr zu diesem Gott auf eine Weise, die wir nachahmen könnten?«
Er versuchte, es zu erklären, doch die Erklärung war so verworren, daß ich sie nicht verstand. Infolgedessen deutete er an, das lasse sich leicht vorführen, und so eilten wir drei – Ah Tutál, der Arzt und ich – hinter ihm her zurück zum Palasthof. Er lief in seine Wohnung, während wir in einiger Entfernung davon stehenblieben, und er kam zurück und trug in jeder Hand etwas.
Eines der Dinge war ein kleines Kästchen mit einem dicht schließenden Deckel. Aguilar machte es auf und zeigte uns den Inhalt: eine Anzahl von kleinen Scheiben, die aus einem dicken weißen Papier herausgeschnitten zu sein schienen. Er versuchte es mit einer weiteren Erklärung, welcher ich entnahm, daß er dieses Kästchen zur Erinnerung an seine Tage in der Priesterschule gestohlen oder unrechtmäßigerweise behalten habe. Des weiteren entnahm ich seinen Worten, daß es sich bei diesen Scheiben um eine besondere Art von Brot handele, der allerheiligsten und mächtigsten aller Speisen, weil ein Mensch, welcher von ihr genieße, die Kraft dieses allmächtigen Gottes in sich aufnehme.
Bei dem anderen Gegenstand handelte es sich um eine Kette aus vielen kleinen Kugeln, zwischen denen in regelmäßigen Abständen größere aufgezogen waren. All diese Kugeln bestanden aus einer blauen Substanz, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte: so blau und hart wie Türkis, gleichzeitig dabei aber so durchscheinend wie blaues Wasser. Aguilar begann mit einer weiteren, äußerst verzwickten Erklärung, der ich nur entnahm, daß jedes Kügelchen ein Gebet darstelle. Selbstverständlich wurde ich an unsere Gepflogenheit erinnert, den Toten einen kleinen Jadebrocken in den Mund zu stecken, und ich meinte, diese Kügelchen ließen sich auf ähnliche Weise wohltätig für die noch nicht Gestorbenen verwenden. Deshalb unterbrach ich Aguilar und fragte dringlich:
»Steckt ihr diese Gebete in den Mund?«
»Nein, nein«, sagte er. »Sie werden in der Hand gehalten.« Und stieß einen Protestschrei aus, als ich ihm Kästchen und Kügelchen wegnahm.
»Hier, Meister«, sagte ich zu dem Arzt, riß die Kette auseinander, gab ihm zwei von den Kügelchen und dolmetschte das wenige, was ich von Aguilars Erklärungen begriffen hatte. »Nehmt sie und laßt das Mädchen jeweils die Hand um eines schließen …«
»Nein, nein«, rief Aguilar klagend. »Was Ihr auch damit macht, es ist falsch! Zum Gebet gehört mehr als nur …«
»Schweigt still!« fuhr ich ihn in seiner Sprache an. »Wir haben keine Zeit für mehr.«
Ich holte einige von den papierenen kleinen Stückchen Brot aus dem Kästchen heraus und steckte eines mir in den Mund. Es schmeckte wie Papier und löste sich auf meiner Zunge auf, ohne daß ich es hätte kauen müssen. Allerdings fühlte ich nicht auf der Stelle etwas von der Gotteskraft in mich einströmen, doch erkannte ich immerhin, daß das Brot dem Mädchen selbst in halb bewußtlosem Zustand verabreicht werden könne. »Nein, nein!« rief Aguilar noch einmal, als ich das Ding aß. »Das geht einfach nicht! Ihr könntet das Sakrament nicht empfangen!«
Er betrachtete mich mit demselben Ausdruck des Schreckens, welchen ich jetzt auf dem Gesicht von Euer Exzellenz erkenne. Ich bedaure mein schockierendes und unüberlegtes Benehmen außerordentlich. Aber Ihr dürft nicht vergessen, daß ich damals noch ein unwissender Heide war und es mir um nichts anderes ging, als darum, dem Mädchen das Leben zu retten. Ich drückte also eine der kleinen Scheiben dem Arzt in die Hand und sagte zu
Weitere Kostenlose Bücher