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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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stießen einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus und nickten einander verstehend zu. Einer zeigte mit immer noch zitterndem Finger auf seine eigene Nase und sagte: »Nariz.« Dann nahmen sie wieder Platz, und ich begann, die letzte fremde Sprache zu lernen, welche ich jemals lernen sollte.
    Die erste Sitzung dauerte bis weit nach Einbruch der Dunkelheit, als sie anfingen, zwischen den Wörtern einzunicken. Offensichtlich hatte ihre Lebenskraft unter dem Bad gelitten, welches sie hatten nehmen müssen, und das vielleicht das erste Bad in ihrem Leben gewesen war. Ich ließ sie daher wankend ihre Wohnung aufsuchen und sich dort schlafen legen. Allerdings sorgte ich dafür, daß sie am nächsten Morgen früh aufstanden und stellte es ihnen, nachdem ich kurz an ihnen geschnuppert hatte, frei, sich selbst zu waschen oder sich mit Gewalt abschrubben zu lassen. Wiewohl sie ebenso verwundert wie verärgert schienen, daß ein Mensch so etwas zweimal erleiden müsse, zogen sie es vor, es selber zu tun. Hinterher wuschen sie sich jeden Morgen und lernten es immerhin so gründlich zu tun, daß ich es ertragen konnte, den ganzen Tag mit ihnen zusammenzusitzen, ohne daß es unerträglich gewesen wäre. Unsere Sitzungen dauerten also bis abends; wir tauschten Wörter aus und aßen die Speisen, welche die Palastbediensteten uns brachten. Ich sollte vielleicht auch noch erwähnen, daß die Gäste zuletzt auch die Fleischgerichte verzehrten, nachdem ich ihnen hatte erklären können, von welchen Tieren sie stammten.
    Um meine Lehrer für ihre Hilfe zu belohnen, manchmal aber auch, um sie aufzumuntern, wenn sie müde wurden und keine Lust mehr hatten, ließ ich ihnen zwischendurch auch ein oder zwei Becher Octli vorsetzen. Unter Motecuzómas »Geschenken für die Götter«, welche ich mitgebracht, befanden sich auch etliche Krüge vom besten und stärksten Octli, und diese waren die einzigen von den vielen Geschenken, welche ich ihnen je gab. Nachdem sie zum ersten mal davon gekostet hatten, verzogen sie das Gesicht und nannten es »saures Bier«, was immer das sein mochte. Bald schien es ihnen aber durchaus zu munden, und eines Abends ließ ich sie mit vollem Bedacht einmal soviel trinken, wie sie wollten. Es war aufschlußreich zu beobachten, daß sie genauso abscheulich betrunken wurden wie nur irgendeiner von meinen eigenen Landsleuten.
    Als die Tage vergingen und mein Wortschatz größer wurde, erfuhr ich sehr viele Dinge, von denen das wichtigste dieses war: Die Fremden waren keine Götter, sondern Menschen, ganz gewöhnliche Menschen, mochten sie noch so ungewöhnlich aussehen. Sie gaben auch gar nicht vor, Götter zu sein oder auch nur irgendwelche Vorboten, welche den Weg für das Eintreffen ihrer göttlichen Herren bereiteten. Sie schienen aufrichtig erschrocken und sogar ein wenig entsetzt, als ich vorsichtig andeutete, unser Volk erwarte, daß eines Tages Götter zurückkehren würden in Die Eine Welt. Sie versicherten mir ernsthaft, kein Gott sei seit eintausendundfünfhundert Jahren mehr auf dieser Erde gewandelt, und von diesem sprachen sie so, als ob es der einzige Gott wäre. Sie selbst, sagten sie, seien nur sterbliche Menschen, die in diesem Leben und hinterher eingeschworene Anhänger dieses Gottes seien. Solange sie in dieser Welt lebten, sagten sie, seien sie auch noch gehorsame Untertanen eines Königs, welcher gleichfalls ein Mensch sei, wenn auch ein sehr hoch über ihnen stehender – offensichtlich ihr Gegenstück zu einem Verehrten Sprecher.
    Wie ich später noch berichten werde, Euer Exzellenz, waren nicht alle meine Landsleute bereit, der Beteuerung der Fremden – und auch meiner – Glauben zu schenken, daß sie einfache Menschen seien. Ich jedoch habe daran nach meiner ersten Begegnung mit ihnen nicht im geringsten gezweifelt, und mit der Zeit erwies es sich selbstverständlich, daß ich recht hatte. Infolgedessen werde ich von nun an nicht mehr von Fremden sprechen und auch nicht mehr von geheimnisvollen Wesen, sondern von Menschen.
    Der Mann mit den Pickeln und Pusteln war Gonzalo Guerrero, seines Zeichens Zimmermann. Der Mann mit dem vernarbten Gesicht hieß Jerónimo de Aguilar und war von Beruf Schreiber wie die ehrwürdigen Patres hier. Es könnte sogar sein, daß der eine oder andere von euch ihn gekannt hat, denn er berichtete mir, zuerst habe er Priester seines Gottes werden wollen und habe auch eine Zeitlang in einer Calmécac studiert oder wie immer ihr eure Priesterschulen nennt.
    Die

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