Der Azteke
zurücksetzt und die Hände in den Schoß legt. Er will mir nicht einmal helfen, Krieg gegen die unerträglichen Texcaltéca zu führen.«
Ich hütete mich, ihn daran zu erinnern, was Nezahualpíli noch gesagt hatte: daß alle unsere Völker mit den alten Feindschaften aufhören und sich gegen die bevorstehende Landung zusammentun sollten.
›»Landung‹, hast du gesagt«, fuhr Motecuzóma fort. »Du hast aber auch gesagt, daß diese beiden Fremden ohne Waffen und völlig wehrlos gekommen sind. Das ließe doch auf eine friedliche Landung schließen.«
Ich sagte: »Was für Waffen mit ihrem leckgeschlagenen Schiff untergegangen sind, haben sie mir nicht anvertraut. Vielleicht brauchen sie überhaupt keine Waffen – jedenfalls keine Waffen in unserem Sinne –, wenn sie uns eine tödliche Krankheit bringen können, gegen die sie gefeit sind, als wäre es nichts.«
»Ja, das wäre allerdings eine mächtige Waffe«, sagte Motecuzóma. »Eine Waffe, wie sie bisher den Göttern vorbehalten geblieben ist. Gleichwohl behauptest du, sie sind keine Götter.« Nachdenklich betrachtete er das kleine Kästchen und seinen Inhalt. »Sie tragen eine gottgegebene Speise mit sich.« Er fingerte an einigen der blauen Kügelchen herum. »Sie haben Gebete bei sich, welche man anfassen kann, und die aus einem geheimnisvollen Stein bestehen. Gleichwohl behauptest du, sie sind keine Götter.«
»Das tue ich in der Tat, Hoher Gebieter. Sie werden betrunken wie Menschen, sie wohnen Frauen bei, wie Männer es tun …«
»Ayyo!« unterbrach er mich triumphierend. »Das sind genau die Gründe, warum der Gott Quetzalcóatl von hier fortging.
Nach allen Berichten erlag er einmal dem Rausch und beging irgendeine sexuelle Missetat, was ihn so sehr mit Scham erfüllte, daß er auf seine Herrschaft über die Toltéca verzichtete.«
»Aber gleichfalls nach diesen alten Berichten«, erklärte ich trocken, »waren alle diese Lande hier zur Zeit des Quetzalcóatl von Blumenduft erfüllt, trug jeder Windhauch einen süßen Duft heran. Der Geruch der beiden Männer, die ich kennenlernte, wäre geeignet, den Windgott ersticken zu lassen.« Geduldig, aber nachdrücklich beharrte ich auf meiner Überzeugung: »Die Spanier sind nichts weiter als Menschen, Hoher Gebieter. Sie unterscheiden sich von uns nur dadurch, daß sie eine weiße Haut haben, behaart sind und im Durchschnitt vielleicht größer als wir.«
»Die Standbilder der Toltéca in Tolan sind sehr viel größer als wir«, sagte Motecuzóma eigensinnig, »und in welcher Farbe sie bemalt waren, läßt sich heute nicht mehr erkennen. Soweit wir wissen, können die Toltéca durchaus eine weiße Haut gehabt haben.« Ich stieß verzweifelt den Atem aus, doch er achtete nicht darauf. »Ich werde unsere Historiker beauftragen, all die alten Aufzeichnungen noch einmal peinlich genau durchzuarbeiten. Wir werden herausfinden, wie die Toltéca ausgesehen haben. Inzwischen werde ich unsere höchsten Priester beauftragen, diese Götternahrung in ein schön gearbeitetes Behältnis zu tun, mit allen Zeichen der Hochachtung und Verehrung nach Tolan zu bringen und in Reichweite der Standbilder der Toltéca aufzustellen …«
»Verehrter Sprecher«, sagte ich, »in der Unterhaltung mit diesen beiden weißen Männern habe ich den Namen Toltéca mehrere Male erwähnt. Er hat ihnen nicht im geringsten etwas bedeutet.«
Motecuzóma riß sich vom Anblick des Gottesbrotes und der Kugeln los und lächelte ein wirklich triumphierendes Lächeln.
»Da hast du es! Einem echten Toltécatl kann dieser Name gar nichts bedeuten. Wir nennen sie die Meisterhandwerker, weil wir nicht wissen, wie sie sich selbst genannt haben.«
Damit hatte er selbstverständlich recht, und ich war verlegen. Ich wußte nichts darauf zu erwidern als zu murmeln: »Ich bezweifle, daß sie sich Spanier genannt haben. Dieses Wort – die ganze Sprache – hat nicht das geringste mit irgendwelchen anderen Sprachen zu tun, die in unseren Landen gesprochen werden.«
»Adlerritter Mixtli«, sagte er, »diese weißen Männer, können, wie du gesagt hast, Menschen sein – einfach Menschen – und trotzdem Toltéca, Nachkommen jener, die vor so langer Zeit verschwunden sind. Dieser König, von dem sie dir erzählt haben, könnte der Gott Quetzalcóatl sein, welcher freiwillig in die Verbannung gegangen ist. Er könnte bereit sein zurückzukehren, wie er es versprochen hat, und jenseits des Meeres darauf warten, daß seine Tolteca-Untertanen ihm
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