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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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melden, daß wir seiner Rückkehr nichts in den Weg stellen.«
    »Stellen wir uns ihm denn nicht in den Weg, Hoher Gebieter?« erkühnte ich mich zu fragen. »Seid Ihr bereit dazu? Die Rückkehr Quetzalcóatls würde bedeuten, daß jeder Herrscher, welcher jetzt in diesen Landen regiert, abzudanken hätte, von den Verehrten Sprechern bis zu den niedrigsten Stammeshäuptlingen. Er würde die Oberherrschaft ausüben.«
    Motecuzóma setzte eine Miene frommer Bescheidenheit auf. »Ein zurückgekehrter Gott wird zweifellos jenen dankbar sein, die seine Reiche bewahrt, ja sogar noch verbessert haben, und wird diese Dankbarkeit ohne Zweifel auch zeigen. Wenn er mir nur zugestände, eine Stimme in seinem Staatsrat zu sein, ich würde mich höher geehrt fühlen als jeder andere Sterbliche.«
    Ich sagte: »Hoher Gebieter, ich habe mich früher geirrt. Ich kann auch jetzt fehlgehen in der Annahme, daß diese weißen Männer keine Götter oder Vorboten irgendeines Gottes sind.
    Aber könnte es nicht sein, daß Ihr einem womöglich noch schwererwiegenden Irrtum erliegt, wenn Ihr davon ausgeht, daß sie es sind?«
    »Davon ausgehen? Ich gehe von nichts aus und nehme nichts an«, erklärte er streng. »Ich sage weder ja, ein Gott kommt, noch nein, er kommt nicht, wie du es so bedenkenlos tust!« Er stand aufrecht da und schrie fast, als er sagte: »Ich bin der Verehrte Sprecher Der Einen Welt, und ich sage weder dieses noch jenes, weder ja noch nein, weder Götter noch Menschen, bis ich darüber nachgesonnen, beobachtet und abgewartet habe, um ganz sicher zu sein.«
    Daß er aufgestanden war, nahm ich als Zeichen dafür, daß ich entlassen war. Rückwärts gehend entfernte ich mich von seinem Thron, küßte wie vorgeschrieben die Erde, verließ den Raum, zog das Sackgewand aus und ging nach Hause.
    Was die Frage – Götter oder Menschen? – betrifft so hatte Motecuzóma erklärt, er werde abwarten, bis er sich sicher sei, und genau das tat er. Er wartete, und er wartete zu lange, und selbst als das schon keine Rolle mehr spielte, war er sich immer noch nicht ganz sicher. Und weil er in Ungewißheit abwartete, starb er zuletzt in Schande, und der letzte Befehl, welchen er seinem Volke zu geben versuchte, begann unsicher mit: »Mixchia …!« Ich weiß es. Ich war dabei. Und ich habe das letzte Wort gehört, welches Motecuzóma je in seinem Leben sprach: »Wartet …!«

    Wartender Mond tat diesmal nichts, um mir meine Heimkehr zu verderben. Zwar hatte sich inzwischen manches natürliche Grau in ihr Haar eingeschlichen, doch was von ihrer verletzenden weißen Strähne noch geblieben war, hatte sie entweder abgeschnitten oder wieder dunkel gefärbt. Und wenn Béu aufgehört hatte, zu versuchen, so zu werden wie ihre verstorbene Schwester, war sie inzwischen überhaupt ein ganz anderer Mensch geworden als jener, den ich seit nahezu einem halben Schock Jahre gekannt hatte – seit ich sie zum erstenmal in der Hütte ihrer Mutter in Tecuantépec gesehen. Stets war es in all diesen Jahren so gewesen, daß wir uns bei jedem Zusammensein gestritten und gekämpft oder bestenfalls einen heiklen Waffenstillstand bewahrt hatten. Offenbar war sie jedoch inzwischen zu dem Entschluß gekommen, daß wir fürderhin die Rolle eines freundschaftlich verbundenen alternden Ehepaares spielen sollten. Ich weiß nicht ob das daran lag, daß ich sie so gründlich gezüchtigt hatte, oder ob sie diese Rolle nur unseren bewundernden Nachbarn vorzuspielen gedachte, oder ob Béu Ribé sich damit abgefunden hatte, gleichfalls im Alter des Niemals zu stehen und sich sagte: »Nie mehr irgendwelche offenen Feindseligkeiten zwischen uns.«
    Jedenfalls erleichterte mir ihre neue Einstellung es, mich zur Ruhe zu setzen und mich daran zu gewöhnen, wieder in einem Haus und in einer Stadt zu leben. Jedesmal, wenn ich früher, selbst schon in der Zeit, da meine Frau Zyanya und meine Tochter Nochipa noch lebten, heimgekehrt war, hatte ich es in der Erwartung getan, irgendwann wieder loszuziehen und ein neues Abenteuer zu bestehen. Doch bei dieser letzten Heimkehr war mir, als ob ich nunmehr für den Rest meines Lebens heimgekommen sei. Wäre ich jünger gewesen, hätte ich vermutlich gegen diese Aussicht aufbegehrt und gewiß bald eine Gelegenheit gefunden, wieder aufzubrechen, auf Reisen zu gehen und Neues kennenzulernen. Oder, wäre ich ein ärmerer Mann gewesen, hätte ich mich rühren müssen, nur um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Oder, wäre Béu immer noch

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