Der Azteke
Don Carlos, Kaiser des Heiligen Reiches und König von Spanien.
Damals – das habe ich bereits gesagt – konnten wir nur wenig von diesem langen Titel verstehen, mit dem er sich vorstellte, wiewohl er uns auf xiu und auf náhuatl von unseren beiden Dolmetschen wiederholt wurde. Diese waren nämlich gleichfalls auf uns zugekommen und hielten sich ein paar Schritte hinter Cortés und Alvarado. Der eine war ein Weißer mit blatternnarbigem Gesicht, gekleidet wie eure einfachen Soldaten. Der andere war eine junge Frau aus unseren eigenen Landen, gekleidet in jungfräulichen gelben Rock und Bluse, doch ihr Haar war von einem unnatürlichen rötlichen Braun, fast so auffallend grell wie das von Alvarado. Von den zahllosen einheimischen Frauen, welche den Spaniern vom Tabascoöb von Cupilco und vor kurzem auch noch von Patzinca von den Totonáca zum Geschenk gemacht worden waren, wurde sie von den spanischen Soldaten am meisten bewundert, weil ihr rotes Haar, wie sie sagten, »wie das unserer Huren in Santiago de Cuba war«.
Ich jedoch erkannte, daß sie sich das Haar mit einem Sud von Achiyotl-Samen künstlich gerötet hatte – und erkannte sowohl den Mann als auch das Mädchen. Er war jener Jerónimo de Aguilar, welcher während der letzten acht Jahre wider Willen Gast der Xiu gewesen. Ehe Cortés erst in den Olméca-Landen und jetzt hier gelandet war, hatte er sich in Tihó aufgehalten und den Mann gefunden und gerettet. Der andere Schiffbrüchige, Guerrero, war, nachdem er das ganze Mayaland mit seinen Blattern angesteckt hatte, dort selbst an ihnen gestorben. Das rothaarige Mädchen, welches damals rund dreiundzwanzig Jahre alt sein mußte, war immer noch klein, immer noch hübsch, immer noch die Sklavin Ce-Malinali, welcher ich auf meinem eigenen Weg nach Tihó vor nunmehr acht Jahren in Coátzacoálcos begegnet war.
Wenn Cortés spanisch sprach, war es Aguilar, welcher das Gesagte in das schwerfällige Xiu dolmetschte, welches er im Laufe seiner Gefangenschaft gelernt, woraufhin Ce-Malinali es in unser Náhuatl übertrug, und wenn unsere Abgesandten sprachen, nahm es den umgekehrten Weg. Es brauchte nicht lange, und ich merkte, daß sowohl die Worte der Mexica als auch die der spanischen Würdenträger oft nur unvollkommen wiedergegeben wurden, und das lag durchaus nicht nur an dem umständlichen Dreisprachensystem. Gleichwohl sagte ich nichts, und keiner von den Dolmetschen nahm mich unter den Trägern wahr; ich nahm mir vor, es noch eine ganze Weile dabei zu belassen.
Ich war dabei, als die Mexica-Edelleute feierlich die Geschenke überreichten, welche sie von Motecuzóma brachten. Ein habgieriger Glanz belebte selbst die kalten Augen von Cortés, als ein Träger nach dem anderen seine Last niederlegte und dessen Verschnürung löste – der große Goldgong und der große Silbergong, die feinen erlesenen Federarbeiten, die geschnittenen Steine und der Schmuck. Cortés sagte zu Alvarado: »Laß den flämischen Edelsteinschneider kommen!«, woraufhin sich noch ein weiterer Weißer zu ihnen gesellte, welcher offenbar ausschließlich zu dem Zweck von den Spaniern mitgenommen worden war, die Schätze zu begutachten, welche sie in diesen Landen finden mochten. Was immer ein Flame sein mag, er sprach spanisch, und wiewohl seine Worte für uns nicht gedolmetscht wurden, bekam ich doch das meiste von dem mit, was er sagte.
Er verkündete, daß die Gerätschaften aus Gold und Silber einen außerordentlichen Wert darstellten, desgleichen die Perlen, Opale und Türkise. Von womöglich noch größerem Wert, sagte er, seien die Smaragde und Zirkone – vor allem die Smaragde –, wenngleich er es lieber gesehen hätte, sie wären in Facetten geschliffen, statt zu winzigen Blumen, Tieren und dergleichen zurechtgeschnitten worden zu sein. Die Federarbeiten – Kopfputz und Umhänge – meinte er, könnten als Kuriosa von einigem Wert sein. Die vielen geschnittenen Jadesteine fegte er verächtlich beiseite, wiewohl Ce-Malináli versuchte ihm klarzumachen, daß sie wegen ihrer religiösen Bedeutung als besonders wertvoll zu erachten seien.
Der Edelsteinschneider tat das achselzuckend ab und sagte zu Cortés:
»Es ist nicht die Jade von Kathay, ja, könnte nicht einmal als falsche Jade durchgehen. Es sind nichts weiter als geschnittene Brocken grünen Serpentins, Capitán, kaum wertvoller als unsere Glasperlen, mit denen wir Tauschhandel treiben.«
Ich wußte damals nicht, was Glas sei und weiß bis heute nicht, was Jade
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