Der Azteke
herbeigelaufen kam und auf spanisch zu ihm sagte: »Capitán, die Eingeborenen fangen an, sich auf der Plaza zu versammeln. Männer und Frauen drängen durch unser Lager und kommen hierher. Unbewaffnet zwar, aber allzu freundlich sehen sie auch nicht aus. Werfen wir sie hinaus? Drängen wir sie zurück?«
»Laßt sie kommen«, sagte Cortés, wandte sich dann an Narváez und sagte: »Geht raus und übernehmt das Kommando. Der Befehl lautet: Nicht feuern! Kein Mann macht irgendeine Bewegung, ehe ich es nicht befehle. Ich werde auf dem Dach stehen, wo ich alles überblicken kann, was geschieht. Kommt, Pedro! Kommt, Don Montezuma!« Er griff sogar nach der Hand des Verehrten Sprechers und riß ihn vom Thron herunter.
Alle, die wir im Thronsaal waren, folgten ihnen, liefen die Treppe zum Dach hinauf, und ich hörte, wie Malintzin atemlos Cortés' Anweisungen für Motecuzóma wiederholte:
»Eure Leute versammeln sich auf dem Platz. Ihr werdet zu ihnen sprechen. Schließt Euren Frieden mit ihnen. Schiebt alle Schuld und alles, was geschehen ist, auf uns Spanier. Erzählt ihnen, was Ihr wollt – Hauptsache, es bleibt ruhig in der Stadt.«
Das Dach war gerade vor der Ankunft der ersten Weißen zum Garten umgestaltet worden, doch war dieser seither nicht gepflegt worden und hatte überdies auch noch einen Winter über sich ergehen lassen. Wo der Boden nicht durch die Räder der schweren Kanonen aufgerissen worden war, dehnte sich eine Wüste aus trockenem Boden, verdorrten Stengeln, unbelaubten Sträuchern, verwelkten Blüten und vom Wind zusammengetriebenem braunem Laub. Eine ödere und verlassenere Plattform war für Motecuzómas letzte Ansprache nicht denkbar.
Wir alle traten an die Brüstung, welche auf den Platz hinausging, standen auseinandergezogen dahinter und blickten hinunter auf Das Herz Der Einen Welt. Das runde Tausend Spanier war an seinen schimmernden Rüstungen deutlich zu erkennen; sie standen unter den doppelt so vielen Mexíca oder bewegten sich unsicher unter ihnen, während diese in Massen unter uns zusammenströmten. Wie der Bote berichtet hatte, waren es zwar Männer und Frauen, doch trugen sie nur ihre Alltagskleidung und kümmerten sich offensichtlich nicht im geringsten um die Soldaten oder die unerhörte Tatsache, daß hier auf heiligem Boden ein bewaffnetes Lager aufgeschlagen worden war. Sie bahnten sich nur ihren Weg hindurch, weder hastig, aber auch nicht zögernd, bis sie dicht gedrängt unter uns standen.
»Der Korporal hatte recht«, sagte Alvarado. »Sie tragen keine Waffen.«
Bissig versetzte Cortés: »Genau die Art Gegner, die du am liebsten hast, was Pedro?« und Alvarados Gesicht wurde fast genauso rot wie sein Bart. Zu allen Anwesenden gewandt, sagte Cortés: »Laßt uns zurücktreten. Laßt die Leute nur ihren eigenen Herrscher und ihre Edelleute sehen.«
Er und Malintzin und die anderen zogen sich bis zur Mitte des Daches zurück. Motecuzóma räusperte sich unruhig und mußte dreimal laut rufen, jedesmal lauter als das Mal zuvor, ehe die Menge ihn über ihrem eigenen Gemurre und dem Lärm aus dem Lager hörte. Einige von den schwarzen Punkten wurden fleischfarben, als sich die Gesichter nach oben wandten, dann wurden es mehr und immer mehr. Zuletzt hatten alle zusammengeströmten Mexíca die Gesichter nach oben gewendet, viele von den Weißen desgleichen, und das Gemurmel der Menge erstarb.
»Mein Volk …« begann Motecuzóma mit belegter Stimme.
Er räusperte sich abermals und sprach dann laut und deutlich. »Mein Volk …«
»Dein Volk!« dröhnte es laut und feindselig von unten zurück, und danach kam ein Durcheinander von erregten Stimmen: »Das Volk, das du betrogen hast!« – »Dein Volk sind die weißen Männer!« – »Du bist nicht unser Verehrter Sprecher!« – »Diesen Titel hast du verwirkt!« Ich schrak zusammen, wiewohl ich dieses erwartet hatte und wußte, daß alles von Cuitláhuac in die Wege geleitet worden war, und daß die Männer in der Menge alle Krieger waren, nur vorübergehend unbewaffnet, um diese dem Anschein nach spontane, gemeinsame Schmähung zu veranstalten.
Ich sollte sagen, daß sie unbewaffnet waren in dem Sinne, daß sie keine gewöhnlichen Waffen trugen, denn in diesem Augenblick zogen alle Steine und Brocken von Lehmziegeln hervor – die Männer unter ihren Umhängen, die Frauen unter ihren Röcken – und begannen sie, immer noch Flüche und Verwünschungen heraufrufend, hinaufzuschleudern. Die meisten Geschosse der Frauen kamen
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