Der Azteke
… habt … Ihr … getan?«
Ich sagte: »Wie Ihr befohlen habt, Capitán-General, ich habe ihn beruhigt.«
»Zum Teufel mit deiner Unverfrorenheit, du Hurensohn!« sagte er, doch noch leise, mit beherrschter Wut. »Es ist nicht das erstemal, daß ich höre, wie du dich lustig machst.«
Gelassen schüttelte ich den Kopf. »Wo Motecuzóma beruhigt ist, Capitán-General, können wir anderen uns jetzt vielleicht auch beruhigen. Ihr selbst eingeschlossen.«
Er stieß mir einen steifen Finger vor die Brust, dann zeigte er in Richtung auf den Großen Platz. »Dort draußen braut sich ein Krieg zusammen! Wer wird jetzt diesen Mob zur Vernunft bringen?«
»Motecuzóma jedenfalls nicht, ob tot oder lebendig. Aber hier steht sein Nachfolger, sein Bruder Cuitláhuac, ein Mann mit einer festeren Hand, und ein Mann, den die Menge draußen noch achtet.«
Cortés drehte sich um und blickte zweifelnd den Oberbefehlshaber an, und ich konnte mir denken, was ihm durch den Kopf ging. Cuitláhuac mochte zwar die Mexíca zur Vernunft bringen, doch damit beherrschte Cortés noch lange nicht Cuitláhuac. Als ob auch sie seine Gedanken läse, sagte Malintzin:
»Wir können den neuen Herrscher ja auf die Probe stellen, Señor Hernán. Laßt uns alle wieder hinaufgehen aufs Dach und der Menge die Leiche Motecuzómas zeigen. Laßt Cuitláhuac seine Nachfolge verkünden und uns sehen, ob das Volk seinem ersten Befehl gehorcht … daß wir in diesem Palast wieder mit Lebensmitteln beliefert und bedient werden.«
»Ein kluger Gedanke, Malinche«, sagte Cortés. »Gebt ihm genau diese Anweisungen. Und sagt ihm auch, er soll ihnen unmißverständlich klar machen, daß Montezuma gestorben« – er riß den Dolch aus der Leiche und warf mir einen schneidenden Blick zu –, »daß Montezuma von der Hand seines eigenen Volkes gestorben ist.«
Folglich kehrten wir aufs Dach zurück, und wir anderen hielten uns ein wenig im Hintergrund, während Cuitláhuac den Leichnam seines Bruders in die Arme nahm, an die Brüstung hintrat und um Aufmerksamkeit rief. Als er ihnen den Leichnam zeigte und sagte, was geschehen sei, hörte sich das, was von unten heraufdrang, nach Zustimmung an. Doch noch etwas anderes tat sich: Ein sanfter Regen setzte vom Himmel ein, als ob Tlaloc, Tlaloc allein und kein anderes Wesen außer Tlaloc das Ende von Motecuzómas Straßen und Tagen und Herrschaft beweinte. Cuitláhuac sprach so laut, daß die Menschen unten ihn verstehen konnten. Gelassen dolmetschte Malintzin für Cortés und versicherte ihm: »Der neue Herrscher spricht, wie Ihr es befohlen habt.«
Zuletzt drehte Cuitláhuac sich nach uns um und rief uns mit einer Kopfbewegung zu sich. Wir alle traten zu ihm an die Brüstung, und zwei oder drei Priester nahmen ihm Motecuzómas Leiche ab. Die Menge, welche zuvor dicht an dicht dagestanden hatte, löste sich auf und die Leute gingen durch das Lager hindurch wieder auseinander. Ein paar von den spanischen Soldaten machten immer noch mißtrauische Gesichter und fingerten an ihren Waffen herum, so daß Cortés hinunterrief: »Laßt sie ungehindert kommen und gehen, Leute! Sie bringen frische Verpflegung!« Die Soldaten brachen in Hochrufe aus, und dann verließen wir alle endgültig das Dach.
Als wir wieder im Thronsaal waren, sah Cuitláhuac Cortés an und sagte: »Wir müssen reden.« Cortés stimmte zu und rief nach Malintzin, als ob er mir beim Dolmetschen nicht traute, ohne daß sein eigener Dolmetsch dabei war. Cuitláhuac sagte:
»Wenn ich meinem Volk auch erklärt habe, ich sei der neue Uey-Tlatoáni, bin ich es deshalb noch lange nicht. Es müssen bestimmte Formalitäten eingehalten werden, und zwar in der Öffentlichkeit. Wir werden heute nachmittag mit den Nachfolgezeremonien beginnen, solange es noch hell ist. Da Eure Truppen Das Herz Der Einen Welt besetzt halten, werden ich und die Priester und der Staatsrat« – er beschrieb eine ausladende Handbewegung, die alle im Raum versammelten Mexíca einschloß – »uns zur Pyramide von Tlaltelólco begeben.«
Cortés sagte: »Aber doch nicht gleich. Der Regen verstärkt sich. Wartet auf einen geeigneteren Tag. Ich lade den neuen Verehrten Sprecher ein, mein Gast in diesem Palast zu sein, wie Montezuma es war.«
Mit fester Stimme erklärte Cuitláhuac: »Wenn ich hierbleibe, werde ich noch nicht der Verehrte Sprecher sein und bin daher als Euer Gast wertlos. Was wählt Ihr?«
Cortés legte die Stirn in Falten; er war es nicht gewohnt, einen Verehrten
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