Der Azteke
standen ihnen jederzeit die Maátime und die Sklavenfrauen zur Verfügung, ob letztere nun wollten oder nicht; außerdem läßt sich die Jungfräulichkeit beim Mann genausowenig beweisen wie das Gegenteil. Bei den Frauen übrigens auch nicht, wie ich euch im Vertrauen sagen möchte – so wie Tzitzi es mir im Vertrauen sagte –, sofern sie Zeit haben, sich auf die Hochzeitsnacht vorzubereiten. Es gibt alte Frauen, die Tauben hielten, welche sie mit den dunkelroten Samenkörnern einiger nur ihnen bekannter Pflanzen fütterten; die Eier dieser Tauben verkauften sie an Möchtegern-Jungfrauen. Ein Taubenei ist so klein, daß es sich mit Leichtigkeit tief im Inneren einer Frau verbergen läßt, und seine Schale ist so zerbrechlich, daß ein erregter junger Ehemann sie zerbricht, ohne etwas davon zu merken; das Eigelb dieser besonderen Tauben hat genau die gleiche Farbe wie das Blut. Des weiteren verkaufen die alten Weiber den jungen Frauen eine Salbe, welche aus einer Beere bereitet wird, die ihr Kreuzdorn nennt und die auch noch die erschlaffteste und geweitetste Öffnung zu jungfräulicher Straffheit zusammenzieht …
Wie Ihr befehlt, Euer Exzellenz, ich werde mich bemühen, von gewissen Einzelheiten Abstand zu nehmen.
Ein Verbrechen wie Notzucht kam bei uns nur selten vor, und zwar aus drei Gründen, Erstens war es fast unmöglich zu begehen, ohne dabei erwischt zu werden, da alle unsere Gemeinwesen so klein waren, daß jeder jeden kannte und Fremde ganz besonders auffielen. Zweitens war es ein höchst überflüssiges Vergehen, da Maátime und Sklavinnen in großer Anzahl zur Verfügung standen, um die dringendsten Bedürfnisse eines Mannes zu befriedigen. Und drittens wurde Notzucht mit dem Tode bestraft. Das galt übrigens auch für Ehebruch und für Cuilónyotl, den Verkehr zwischen Mann und Mann – sowie für Patlachúia – den Verkehr zwischen Frau und Frau. Diese Verbrechen kamen vermutlich gar nicht so selten vor, kamen jedoch kaum je ans Tageslicht, es sei denn, die Betreffenden wurden dabei ertappt. Im übrigen entziehen solche Sünden sich dem Nachweis genauso wie die Jungfräulichkeit.
Ich möchte mit allem Nachdruck sagen, daß ich hier nur von jenen Gepflogenheiten spreche, die bei uns Mexíca als strafwürdig, verboten waren und auf jeden Fall zu meiden galten. Bis auf einige Freiheiten und Bekundungen, die während mancher unserer Fruchtbarkeitsriten erlaubt waren, ging es bei uns Mexíca im Vergleich zu so vielen anderen Völkern recht streng zu. So erinnere ich mich, daß ich mich – als ich zum erstenmal zu den weit im Süden lebenden Maya reiste – beim Anblick einiger Tempel recht vor den Kopf gestoßen fühlte, deren Regenspeier die Gestalt männlicher Tepúlis aufwiesen und während der Regenzeit unablässig ihr Wasser abschlugen.
Die Huaxtéca, die im Nordosten am Ufer des Ost-Meeres leben, beweisen in geschlechtlicher Hinsicht ein besonders derbes Verhalten. Ich habe dort aus Stein gehauene Tempelfriese mit Darstellungen der vielen Stellungen gesehen, die Mann und Frau einnehmen können. Jeder Huaxtécatl-Mann mit einem überdurchschnittlichen Tepúli pflegte damals auch in der Öffentlichkeit und beim Besuch irgendwelcher zivilisierteren Stätten ohne jedes Schamtuch umherzugehen. Durch dieses prahlerische Herumstolzieren gelangten die Huaxtéca-Männer in den Geruch unbändiger Virilitat – ob verdienter- oder unverdientermaßen, vermag ich nicht zu sagen. Allerdings, wenn gelegentlich gefangengenommene Huaxtéca-Krieger auf dem Sklavenmarkt zum Verkauf kamen, habe ich des öfteren beobachtet, wie unsere adligen Mexíca-Frauen – verschleiert und sich am Rand der Menge haltend – ihren Dienern Zeichen gaben, für diesen oder jenen Huaxtécatl auf dem Verkaufsblock ein Gebot abzugeben.
Die in Michihuàcan lebenden Purémcheca westlich von hier sind die in Sachen Geschlechtsleben laxesten und nachsichtigsten von allen. So wird zum Beispiel der Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Mann nicht nur nicht geahndet, sondern wird verziehen und akzeptiert. Er ist sogar in ihre Bilderschrift eingegangen. Vielleicht wißt ihr, daß das Zeichen für die Tipili einer Frau die Schneckenschale ist? Nun, wenn es darum geht, den Verkehr von zwei Männern untereinander auszudrücken, zeichneten die Purémcheca schamlos das Bild eines nackten Mannes, dessen Organ von einer Schneckenhausschale verdeckt wird.
Was nun den Verkehr zwischen meiner Schwester und mir betrifft – Inzest ist das Wort, das
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